1751: Aufhebung der Propstei

Propstei (fast) ohne Kapitel
Schon in der Zeit der Glaubenskämpfe hatte es wegen des Mangels an Chorherrn ab etwa 1560 in der Propstei Zwettl kein Kapitel mehr gegeben, einzig der Posten des Propstes blieb weiter besetzt. Um die Mitte des 17. Jahrhunderts scheint die Anzahl der Chorherrn für kurze Zeit wieder zugenommen zu haben und 1657 dürfte sie sogar auf den ursprünglich geplanten Stand von 12 Klerikern angewachsen sein. Aber bald darauf war die Propstei wieder nahezu verwaist. Für viele Pröpste war Zwettl nun nicht mehr der ständige Wohnsitz, die Propstei mit ihren Pfründen diente vorwiegend zur Aufbesserung ihrer Einkünfte. Die mit dem Amt verbundenen Pflichten wurden meist durch schriftliche Anweisungen aus der Ferne erledigt oder während der wenigen Tage im Jahr, an denen sich der Propst in Zwettl aufhielt. Für die seelsorgerischen Aufgaben in Zwettl und Umgebung war ohnehin der Vikar mit seinen Kooperatoren (Kaplänen) zuständig. Er nahm immer mehr die Agenden eines Stadtpfarrers wahr, auch wenn diese Funktion nach wie vor formal dem Propst zukam. Für die wirtschaftlichen und hoheitlichen Agenden der Herrschaft Propstei war ein Verwalter bzw. Rentschreiber zuständig. Die Pröpste selbst waren meist Adelige, unter ihnen finden sich klingende Namen wie Herberstein, Albrechtsburg und Kollonitz. Für einige von ihnen war die Zwettler Würde wohl nur ein Sprungbrett für eine weitere Karriere. Trotzdem wäre es falsch anzunehmen, die Pröpste des 17. und 18. Jahrhunderts hätten Zwettl vernachlässigt und wären nur an den wirtschaftlichen Einnahmen interessiert gewesen, denn gerade in dieser Zeit kam es immer wieder zu Umbauten und Erneuerungen am Propsteigebäude. Besonders die unter Propst Konrad Ferdinand von Albrechtsburg vorgenommenen Renovierungsarbeiten sind recht gut dokumentiert. Propst Sigismund Graf Kollonitz, ab 1716 auch Fürstbischof von Wien, hinterließ in seinem Testament der Zwettler Propstei und der hiesigen Pfarrkirche namhafte Beträge.
Von einem Kollegiatstift kann aber im 18. Jahrhundert in Zwettl keine Rede mehr sein. Es gab kein Kapitel, sondern nur einen Propst, der alleine diese kirchliche Institution repräsentierte und die weltliche Macht im Herrschaftsbereich der Propstei inne hatte. Unterstützt von seinen Beamten und Wirtschaftern. Die pfarrlichen Agenden nahm - wie bereits erwähnt - der Vikar wahr, der im Pfarrhof in der Stadt wohnte. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Propstei Zwettl zur Mitte des 18. Jahrhunderts auch formalrechtlich ein Ende fand.

Eduard Mader, Propstei Zwettl (um 1905)
Stadtarchiv Zwettl (StAZ), Sign. BA 03/12/12-1

Eduard Mader, Propstei Zwettl (um 1905)
Stadtarchiv Zwettl (StAZ), Sign. BA 03/12/12-1

Titularpropstei
Am 29. Mai 1751 ernannte Maria Theresia in Preßburg den Karl Josef Freiherr von Stingelheim, früher Dompropst in Breslau, dann Kanonikus in Eichstädt, zum Propst von Zwettl. Doch bereits am 30. Oktober des selben Jahres zog die Erzherzogin mit päpstlicher Zustimmung die Einkünfte der Propstei ein und verwendete sie zur Dotierung der neu gegründeten Ritterakademie, des Theresianums, in Wien. 1752 resignierte Stingelheim als Propst. Johann Stocker, Der Pfarrvikar von Zwettl, wurde Stadtpfarrer.
Mit den Einkünften der Propstei ging auch das Präsentationsrecht für die ehemaligen Propsteipfarren Großglobnitz, Großgöttfritz, Marbach am Walde, Rieggers, Weißenalbern und Zwettl auf das Theresianum über, dessen Leitung zunächst die Jesuiten übernahmen. Nach der Auflösung des Jesuitenordens (1773) schien es vorübergehend zu einer Wiederbelebung der Propstei zu kommen. Theodor Gravina von Kronstein, ein ehemaliger Jesuit und nunmehriger Weltpriester, der seit 1770 Rektor des Theresianums war, erhielt 1773 den Titel Propst von Zwettl und 1776 auch den Fruchtgenuss der Propsteigüter sowie das Präsentationsrecht über die ehemaligen Propsteipfarren. Doch schon 1773 war es zu Kompetenzstreitigkeiten mit dem recht energischen Zwettler Pfarrer Leopold Ertl gekommen. Nach dem Tod von Kronstein (1789) kamen die Propsteigüter vorübergehend an die k. k. Staatsgüter-Administration und 1797 wieder an das Theresianum. Die Versuche des neuen Titularpropstes Franz Adam von Keeß, wenigstens pachtweise die Propstei zu erhalten, blieben erfolglos. Die Propstei hatte endgültig als Realpropstei zu bestehen aufgehört, sie war in eine reine Titularpropstei umgewandelt worden. Seitdem wird der Titel Propst von Zwettl vom Diözesanbischof nach freiem Ermessen verliehen. Sein Träger kann aber daraus keinerlei Rechte oder Einkünfte beanspruchen.

Propstei Zwettl
Foto: Werner Fröhlich, Zwettl, 1982
StAZ, Sign. BA 03/12/103

Propstei Zwettl
Foto: Werner Fröhlich, Zwettl, 1982
StAZ, Sign. BA 03/12/103

egen Ende des 19. Jahrhunderts bot das Theresianum seinen gesamten Besitz im Raum Zwettl zum Kauf an. Dazu gehörten das Propsteigebäude samt Kirche und Karner sowie umfangreicher Wald- und Grundbesitz, vor allem in der Katastralgemeinde Koppenzeil. 1882 entschloss sich die Sparkasse der Stadt Zwettl, das Gut „Propstei Zwettl“ vom Theresianum um 35 000 Gulden zu erwerben. Damit kam neben den vorwiegend forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken der gesamte historisch wertvolle Gebäudekomplex auf dem Propsteiberg mit den Sakralbauten in den Besitz des lokalen Geldinstitutes, das seither die daraus erwachsenden denkmalschützerischen und finanziellen Pflichten in vorbildlicher Weise wahrnimmt.

Die Pröpste von Zwettl
Andreas Königsteiner 1483-1505
Konrad Renner 1505-1510
Johann Graf 1510-1532
Johann May (Maius) 1532-1536
Johann Rosinus 1536-1544
Johann Zenonian der Ältere 1545-1560
Johann Caspar Rutland 1560-1564
Johann Zenonian der Jüngere 1565-1581
Ulrich Hackl 1581-1586
Viktor August Freiherr von Fugger 1586
Georg Ursylvanus 1587-1592
Zacharias Greul 1595-1598
Johann Wasevic 1598-1600
Johann Lucovius 1601-1609
Johann Curtius 1609-1613
Caspar Quork 1615-1622
Anton Meuran 1623-1625
Balthasar von Bonningen 1625-1631
Johann Albrecht Panvinius 1631-1632
Wilhelm Ferdinand von Effern 1633
Andreas Wilhelm Dietl 1633-1641
Matthias Schwab 1643-1661
Ernst Graf Trautsohn von Falkenstein 1661-1685
Johann Franz Ernst Graf von Herberstein 1685-1693
Alexander Josef Guarischetti 1693-1705
Konrad Ferdinand von Albrechtsburg 1705-1730
Sigismund Graf Kollonitz 1730-1751
Karl Josef Freiherr von Stingelheim 1751-1752

Titularpröpste von Zwettl:
Theodor Gravina von Kronstein 1773-1789
Franz Adam von Keeß, Pfarrer von Stockerau 1792-1834
Matthias Pollitzer, Regierungsrat 1834-1842
Matthias Stöhr, Pfarrer von Krems 1842-1846
Wenzel Reichel, Regierungsrat 1847-1870
Karl Werner, Universitätsprofessor in Wien 1885-1888
Paul Urlinger, Pfarrer von Scheibbs 1888-1889
Franz Eckel, Pfarrer von Tulln 1889-1894
Anton Pilz, Pfarrer von Raabs 1894-1914
Joseph Winkelhofer, Pfarrer von Krems 1915-1919
Rudolf Simlinger, Pfarrer von Krems 1920-1926
Joseph Puhm, Pfarrer von Krems 1927-1928
Johann Schrimpf, Pfarrer von Krems 1928-1955
Josef Edelhauser, Pfarrer von Krems 1955-2000
Willibald Pichler, Pfarrer von Waidhofen an der Thaya 2001
Josef Kaiserlechner, Pfarrer von Emmersdorf 2002-

F. Moll, 11/03

Literatur:
Anton Erdinger, Beiträge zur Geschichte der Propstei Zwettl. Geschichtliche Beilagen zum St. Pöltner Diöcesanblatt (St. Pölten 1903) S 311-370.

Hans Hakala, Sehenswertes Zwettl (= Zwettler Zeitzeichen 4, Zwettl 2000) S 47-49.

Wolfgang Katzenschlager, Der Übergang von der Realpropstei zur Titularpropstei. In: Hans Hakala/Walter Pongratz, Zwettl-NÖ I. Die Kuenringerstadt (Zwettl 1980) S 199-202, 216 f.

Thomas Kühtreiber/Roman Zehetmayer, Zur Geschichte des Propsteiberges (= Zwettler Zeitzeichen 2, Zwettl 1999).

Alois Plesser, Stadt Zwettl, Pfarre und Propstei. Geschichtliche Beilagen zum St. Pöltner Diözesan-Blatt, Bd. 14 (St. Pölten 1954) S.101-130.