1613: Zwettl erhält einen dritten Jahrmarkt

Am 8. Mai 1613 bewilligte Kaiser Matthias den Zwettlern einen dritten Jahrmarkt und zwar am Sonntag Exaudi (= 6. Sonntag nach Ostern) und zwei Tage danach. Dieser Markt wird heute noch alljährlich als Pfingstmarkt am Dienstag nach Pfingsten gehalten. Begründet wird die Verleihung durch folgende Passage in der Urkunde: „In Folge der großen Auslagen für Kriegszwecke, Steuer und Herrenforderungen waren gegen vierzig Häuser [in der Stadt Zwettl] öde und leer geworden. Durch die Stadt gehe keine Landstraße und da sie auch nicht wie andere Städte großen Handel treiben könne und kein anderes Gewerbe habe [...], sei die Stadt über alle Maßen erschöpft und in höchste Armut geraten.“ (Stadtarchiv Zwettl = StAZ, Sign. 1/48)

Wien, 8. Mai 1613: Kaiser Matthias verleiht der Stadt Zwettl einen dritten Jahrmarkt (Ausschnitt)
StAZ, Sign. 1/48

Wien, 8. Mai 1613: Kaiser Matthias verleiht der Stadt Zwettl einen dritten Jahrmarkt (Ausschnitt)
StAZ, Sign. 1/48

Bereits gegen Ende des 16. Jahrhunderts hatten die Zwettler den Kaiser gebeten, ihnen einen dritten Jahrmarkt zu verleihen. Das Formularbuch des Zwettler Stadtschreibers (StAZ, Sign. 2/5, eingebunden in das Ratsprotokoll von 1599) enthält nämlich einen undatierten Text eines solchen Bittbriefes. Da sich in besagtem Formularbuch unmittelbar davor die Abschrift eines Schreibens der Weitraer Bürger findet, in dem diese den Kaiser ersuchten, den Kirchtag „Judica in der Fasten“ zum Jahrmarkt zu erheben, kann man annehmen, dass die Eingabe der Zwettler auch aus dieser Zeit (um 1575) stammt.
Richter, Rat und Bürgerschaft ersuchten mit diesem Schreiben den Kaiser (wohl Maximilian II.), der Stadt Zwettl einen dritten, freien und offenen Jahrmarkt zu verleihen und zwar am Tag des hl. Johannes des Täufers (24. Juni) „... an welchem tag [...] bei unser Pfarrkirchen, järlich, und von Alters hero, Kirchtag gehalten wirdt...“ Die Zwettler begründeten dieses Ersuchen mit den schweren Zeiten und der schlechten Wirtschaftslage, auch damit, dass durch ihre Stadt keine besonders frequentierte Straße führe, noch dass hier wichtige Handels- oder Gewerbebetriebe beheimatet seien wie in anderen Städten. Sie klagten vielmehr, dass sie ihren Lebensunterhalt „maistensthails mit der herten handtarbait erarbaitten und erobern müessen...“ Hätte die Stadt aber einen dritten Jahrmarkt, so gäbe es zusätzliche Einnahmen. Das würde das Leben der Bürger erträglicher machen und Mittel schaffen, die Stadt und ihre Einrichtungen wie „ des Stätlen gepeyen, Als Stat Thoren, Statmauren, prüggen, und dergleichen, Nottwendiger gepeyen [...] etwas pössers [zu] erhalten...“
Rund 40 Jahre nach dieser Eingabe war es dann also so weit, und Kaiser Matthias verlieh 1613 den ersehnten dritten Jahrmarkt, der die triste wirtschaftliche Situation bessern helfen sollte. Tatsächlich brach aber fünf Jahre später der Dreißigjährige Krieg aus, der nicht nur der Bevölkerung des Waldviertels Not und Elend brachte, sondern weite Teile Mitteleuropas verheerte.
Märkte waren für die Wirtschaft der Stadt vor allem wegen des Zuzugs von vielen Menschen interessant. Man kaufte, verkaufte und konsumierte. Das Warenangebot war ungleich höher und vielfältiger als während des übrigen Jahres. Die Stadtkassa profitierte sogar direkt vom Marktgeschehen: An den Stadttoren oder an anderen Stellen außerhalb der Stadt musste für die transportierten Waren Maut entrichtet werden. Diese Einnahmen waren vor allem für die Erhaltung von Straßen, Wegen und Brücken gedacht. Jeder, der auf dem Markt seine Waren feilbieten wollte, musste Standgeld (Marktgebühr) bezahlen. Ihre Höhe richtete sich nach der Größe der beanspruchten Fläche, nach der Lage des Standplatzes (Plätze im Zentrum des Marktgeschehens waren teurer als solche an der Peripherie) und nach der Art der feilgebotenen Waren. Wer selbst keinen Stand besaß, konnte (zumindest im 19. Jh.) entsprechendes Material beim „städtischen Marktstandholzpächter“ gegen Gebühr entlehnen. Die Stadt hatte das Monopol auf Maße und Gewichte. Wer Garn, Flachs, Wolle oder andere Produkte abwiegen lassen wollte, musste dafür einen bestimmten Betrag (das Abmaßgefäll) entrichten. Getreide wurde damals nicht gewogen sondern in Hohlmaßen (Metzen) gemessen. Auch dafür waren Abgaben zu leisten. Bauern, die ihr unverkauftes Getreide nicht wieder nach Haus führen wollten, konnten es bis zum nächsten Wochenmarkttag im städtischen Körnerkasten - gegen Gebühr - einlagern.

Getreidemaße, 19. Jh., Stadtmuseum Zwettl
Fotos: Werner Fröhlich, Zwettl

Getreidemaße, 19. Jh., Stadtmuseum Zwettl
Fotos: Werner Fröhlich, Zwettl

Während die Wochenmärkte ursprünglich vor allem der Versorgung der Stadt- und Dorfbevölkerung mit Nahrungsmitteln und Gütern des täglichen Bedarfes dienten, hatten die Jahrmärkte mit ihrem ungleich größeren Angebot an Waren sowohl geographisch als auch wirtschaftlich weitreichendere Bedeutung. Auf den Wochenmärkten boten fast ausschließlich nur die Bauern aus der Stadt und der Umgebung sowie die in Zwettl ansässigen Handwerker und Kaufleute ihre Waren feil. Auf dem Jahrmarkt aber durfte jeder Händler oder Gewerbetreibende, wo immer er auch zu Hause war, seine Produkte verkaufen. Er musste nur die Standgebühr und allfällige andere Taxen entrichten.

Jahr- und Wochenmärkte im 19. Jahrhundert
Die Marktrechtsprivilegien der Stadt Zwettl wurden im Laufe der Zeit immer wieder erneuert und bestätigt, zuletzt 1794 durch Kaiser Franz II. Der selbe gewährte 1815 als Franz I. von Österreich den Zwettlern noch zwei Pferdemärkte.
Nach der Jahrmarktordnung von 1860 durfte jedermann auf den drei Zwettler Jahrmärkten seine Waren zwischen 7 und 21 Uhr auf dem ihm zugewiesenen Platz anbieten. Gleiche Berufe erhielten ihre Verkaufsstände nebeneinander zugewiesen, was die Konkurrenz belebte und für die Käufer den Preis- und Qualitätsvergleich vereinfachte. So hatten damals etwa auf dem unteren Hauptplatz die Groß- und Schnittwarenhändler und die Strumpfwirker ihre Stände, in der Nähe des Rathauses standen die Tuch- und Kurzwarenhändler, Tuchträger, Hausierer und Modewarenhändler. Am Dreifaltigkeitsplatz fand man die Eisenhändler, Spengler, Lebzelter, Galanteriewarenhändler, Bürstenbinder, Kammmacher und Seiler, an der oberen Landstraße die Hut- und Schuhmacher, Hafner, Geschirrhändler, Kürschner und Lederer.
Im 19. Jahrhundert hatten die Zwettler Wochenmärkte, die traditionell an jedem Montag stattfanden, eine Bedeutung erlangt, die über den Nahbereich der Stadt weit hinaus ging. Der „Zwettler Montag“ war im gesamten mittleren Waldviertel ein Begriff, der als Synonym für Markttag schlechthin verwendet wurde. Auf ihm wurden Körner, Hornvieh, Eier, Butter, Schmalz, Geflügel, Schweine, Obst, Grünzeug, Holz, Flachs, Garn, Leinwand, Wolle und verschiedene andere Waren verkauft.

Viehmarkt auf dem Dreifaltigkeitsplatz, 19. 7. 1909
StAZ, Sign. BA 04/2/9

Viehmarkt auf dem Dreifaltigkeitsplatz, 19. 7. 1909
StAZ, Sign. BA 04/2/9

Vor allem der Verkauf von Getreide, Rindern und Schweinen war beachtlich, nicht so gut florierte der Pferdemarkt. Für die Bauern boten in jener Zeit diese Märkte in den nahen Städten eine äußerst wichtige Möglichkeit, die eigenen Produkte abzusetzen. 1855 wurden an einem Wochenmarkttag im Durchschnitt 35 Muth (1 Muth entspricht rund 1.845 Liter) Getreide zum Kauf angeboten und 100 Rinder, 80 Schweine und 50 Pferde aufgetrieben. Das Buch „Zwettl 1896“ spricht davon, dass an manchen Markttagen bis zu 3.000 hl Hafer in die Stadt gebracht und mehr als 2.000 Stück Hornvieh aufgetrieben wurden.

F. M., 02/04

Literatur:
Hans Hakala, Das Marktwesen. In: Hans Hakala/Walter Pongratz, Zwettl-NÖ I, Die Kuenringerstadt (Zwettl 1980) S 368-373.

Johann Hermann, Zwettl-NÖ. In: Alfred Hoffmann (Hg.), Österreichisches Städtebuch Bd. 4, 3. Teil R-Z (Wien 1982) S 382 f.

Friedel Moll, Märkte. In: Friedel Moll/Werner Fröhlich, Zwettler Stadtgeschichten Band 1, Alltagsleben in vergangener Zeit (Zwettl 2000) S 56-62. [www.buch-schulmeister.at]

Josef Traxler, Zwettl in der Gegenwart. In: Zwettl 1896. Festschrift aus Anlass der Eröffnung der Localbahn Schwarzenau-Zwettl und zur Feier der Jubiläen der Sparcasse und der Volks- und Bürgerschule Zwettl (Zwettl 1896) S 111-113.

Karl Uhlirz, Das Archiv der l. f. Stadt Zwettl (Zwettl 1895) S 23, S 26.