Bierbrauen in Zwettl (eine Skizze)

Das Bierbrauen hat in Zwettl – wie auch sonst im Waldviertel - eine lange Tradition. Die Anfänge dieses Gewerbes lassen sich allerdings für unsere Stadt nur schwer festmachen, da entsprechende Quellen fehlen. Im frühen 14. Jahrhundert finden sich aber zum Beispiel schon Familiennamen, die darauf hindeuten, dass sich ihre Träger mit dem Bierbrauen befassten. So wird 1306 ein Zwettler Bürger namens Konrad Malzer genannt.
In der Mitte des 16. Jahrhunderts – ab dieser Zeit sind ausführlichere schriftliche Quellen vorhanden – gab es meist drei bürgerliche Bierbrauer und ein städtisches Brauhaus in Zwettl. Dieses stand an der Landstraße, an der Stelle, wo sich jetzt das Postgebäude befindet.
Das städtische Brau- und Schankhaus wurde von drei eigens dazu bestellten Bürgern, den „Preyherren“ verwaltet. Es warf häufig beachtliche Erträge ab, die vor allem im 17. Jahrhundert einen wesentlichen Bestandteil der städtischen Einnahmen ausmachten. Das Bierbrauen besorgte ein von der Gemeinde angestellter Brauer. Für seine Tätigkeit erhielt er einen fixen Lohn. Das von ihm gebraute Bier wurde im städtischen Brau- und Schankhaus, gemeinsam mit dem Wein aus den Weingärten von Lengenfeld, die dem Bürgerspital gehörten, verkauft. Es kam häufig vor, dass sich die Bürger der Stadt über die mangelnde Qualität des städtischen Bieres beklagten und lieber bei anderen Brauern kauften. Wenn das Bier tatsächlich misslungen war, was gelegentlich schon vorkam, wurde der städtische Bierbrauer zur Verantwortung gezogen. Das konnte zu Lohnkürzungen und auch zur Entlassung führen. Bierbrauen war in früherer Zeit aber eine echte Kunst, zu der nicht nur Geschicklichkeit und Erfahrung, sondern auch eine gute Portion Glück gehörten. Schließlich wusste man noch nichts über Bakterien und Pilze, das Wesen des Gärvorganges war keineswegs klar, und so konnten immer wieder „fremde“ Hefen den Gärprozeß negativ beeinflussen. Auch war das Bier früher ein leichtverderbliches Getränk, das nicht über längere Zeit aufbewahrt werden konnte.

Der Rat der Stadt achtete streng darauf, dass der eigenen Brauerei keine allzu große Konkurrenz erwuchs. So durften zum Beispiel die privaten Brauereien ihre Produkte nicht billiger als das städtische Brauhaus anbieten und es war streng verboten, fremdes Bier in der Stadt zu verkaufen. Die Zwettler Gastwirte mussten das Bier zunächst vom städtischen Brauhaus beziehen. Erst wenn dort keines mehr zu bekommen war, konnten sie sich bei anderen Brauern eindecken.
Neben dem gemeindeeigenen Brauhaus gab es – wie bereits erwähnt – mehrere bürgerliche Brauereien. So zum Beispiel im Haus Landstraße 15 (heute: „S’Beisl“ bzw. Pension „Zum schwarzen Kater“, Familie Todt). Hier lebte und arbeitete im 17. Jahrhundert der Bierbrauer Johann Georg Fuchs, der durch 26 Jahre auch das Amt des Stadtrichters von Zwettl ausübte, eine Funktion, die heute annähernd mit der des Bürgermeisters zu vergleichen ist. Die zweite bürgerliche Brauerei, die durch mehrere Jahrhunderte kontinuierlich betrieben wurde, war im Haus Landstraße 29 (heute: Bezirksbauernkammer) untergebracht. Ein drittes Brauhaus befand sich einige Jahre wahrscheinlich am Neuen Markt (Nr. 18. heute: „A & O Markt“ Kastner). Die heute noch bestehende Zwettler Brauerei wurde - nach derzeitigem Wissensstand – erstmals 1617 als herrschaftliche Brauerei „Auf der Stiegen in der Syrnau“ erwähnt. Bald danach kam sie in den Besitz der Herrschaft Schickenhof, zu der damals zahlreiche Häuser in der Syrnau – unter ihnen auch eine herrschaftliche Taverne (heute: Stadt-Pub Löffler) gehörten. 1709 ließ Paul Graf, der damalige Besitzer der „Stiegen Brauerei“, eine eigene Wasserleitung vom Bleichgraben zu seinem Brauhaus errichten. Damit legte er wahrscheinlich den Grundstein zum Erfolg dieses Betriebes.
Die Zwettler Bierbrauer unterstanden in all den Jahren der Weitraer Brauinnung. Als aber 1707 die Wiener Brauzeche zur Hauptlade erhoben wurde, gelang es den Zwettler Braumeistern durch geschicktes Verhandeln zu erreichen, dass in Zwettl eine Viertelslade errichtet wurde, zu der alle Waldviertler Brauereien gehören sollten. Zwettl war damit zum Zentrum der Waldviertler Braukunst geworden. Sehr zum Leidwesen und zum Zorn der Weitraer Kollegen. Sie wehrten sich dagegen und es gelang ihnen schließlich, dass die Brauereien im Nahbereich ihrer Stadt aus der Zwettler Innung herausgelöst wurden und wieder eine eigene Weitraer Brauinnung entstand. Zur Zwettler Lade gehörten aber immerhin bis zu 70 Brauereien. Allerdings setzte in dieser Zeit bereits das große Brauereisterben ein. Ein Betrieb nach dem anderen musste schließen. Das städtische Brau- und Schankhaus in Zwettl wurde ab der Mitte des 18. Jahrhunderts verpachtet und 1778 zogen – nach den großen Schulreformen Maria Theresias – die Zwettler Schulkinder in das Gebäude an der Landstraße ein. Aus dem Brauhaus wurde allmählich ein Schulhaus. 1797 gehörten nur noch 39 Brauereien zwischen Litschau und Persenbeug bzw. Groß Pertholz und Eggenburg zur Zwettler Brauinnung. Auch die beiden bürgerlichen Brauereien Zwettls stellten an der Wende zum 19. Jahrhundert ihren Betrieb ein.
Übrig blieb nur die kleine Brauerei in der Vorstadt Syrnau, die ohne Zweifel über eine bessere Wasserversorgung als ihre lokalen Konkurrenten verfügte und noch bis zur Auflösung des patrimonialen Systems nach der Revolution von 1848 unter der Herrschaft Schickenhof stand. Sie wechselte häufig ihren Besitzer und war Nahversorger für den Zwettler Raum. 1890 kam sie in den Besitz der Familie Schwarz, die es schaffte, den Betrieb auch gegen schier übermächtige Konkurrenten zu behaupten. Nach schweren Rückschlägen in der Kriegs- und Nachkriegszeit, mit Zwangsverwaltung und Bewirtschaftung, gelang ab den 1960er Jahren ein gewaltiger Aufschwung. Heute ist die Privatbrauerei Zwettl der größte Industriebetrieb der Region, der mit seinen Produkten den Namen Zwettl weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht hat.

Friedel Moll