Zwettl stand seit dem frühen 12. Jahrhundert bis 1312 unter der Herrschaft der Kuenringer. Diese Stadtherrschaft bedeutete vor allem auch Gerichtsherrschaft und da Zwettl Landgerichtsmittelpunkt war, gehörten dazu beachtliche Kompetenzen. Das Landgericht brachte bedeutende Einkünfte, über welche der Gerichtsinhaber verfügen konnte.
1256 wird in Zwettl mit Leupold Bocksfuß erstmals ein „iudex“ (Richter) genannt. Es war das ein Ritter, der im Auftrag und in Vertretung des Kuenringers das Richteramt ausübte, also keineswegs schon eine durch die Bürgerschaft bestellte Person. Die Namen der herrschaftlichen Zwettler Richter lassen sich bis ins frühe 14. Jahrhundert auflisten. Bis auf einen (Tröstel) gehörten alle dem Ritterstand an. Das erste Jahrhundert der Stadtherrschaft stand also ganz im Zeichen der ritterlichen Dienstmannschaft. Die wichtigsten Ämter in der Stadt waren fest in ministerialischer Hand.
Daneben wird aber zumindest in zwei Urkunden (1251 und 1261) auch bereits die Zwettler Bürgerschaft genannt. Und als am 28. Februar 1283 Leutold I. von Kuenring-Dürnstein einen Zehentstreit um den Ratschenhof zwischen dem Pfarrer von Zwettl und dem Kloster schlichtet, scheinen als Zeugen dieses Aktes neben Geistlichen und Adeligen nicht nur drei Zwettler Bürger auf, vielmehr bestätigt gleichsam die gesamte Bürgergemeinde (uniuersitas cuium nostrorum in Zwetel) zusammen mit dem Stadtherren das Rechtsgeschäft. Denn neben dem Siegel des Kuenringers trägt das Dokument auch jenes der Bürgerschaft. Es handelt sich dabei um das älteste Zwettler Stadtsiegel, das 1980 vom damaligen Stiftsarchivar Dr. Johann Tomaschek entdeckt wurde. Es trägt in der Mitte die Buchstaben „Ch“ (für Chuenring) und die Umschrift „Sigillum Civitatis in Zvvetel“. Die Urkunde befindet sich im Stiftsarchiv Zwettl.
![Das älteste Siegel]()
Literatur:
Hans Hakala, Wappen, Siegel und Fahne der Stadt. In: Hans Hakala/Walther Pongratz, Zwettl-Niederösterreich, Band 1: Die Kuenringerstadt (1980) 352f.
Johann Hermann, Zwettl-NÖ. In: Die Städte Niederösterreichs, 3. Teil, R-Z (= ed. Alfred Hoffmann, Österreichisches Städtebuch 4, 1982) 387.
Friedel Moll/Werner Fröhlich, Zwettler Stadtgeschichte(n) I. Alltagsleben in vergangener Zeit (2000) 17.
Folker Reichert, Zur Geschichte der inneren Struktur der Kuerningerstädte. In: Kuenringerforschungen, JbLKNÖ NF 46/47 (1980/81) 167, 172.
