„Nieuwigkeiten“ aus dem Zwettler Stadtarchiv: Mozarts Freund und „Bruder“ stammte aus Zwettl

Veröffentlichungsdatum05.05.2006Lesedauer4 Minuten

Am 22. September 1741 wurde in Zwettl Johann Michael Puchberg getauft. Er war das sechste und jüngste Kind des Zwettler Stadtschreibers Johann Michael Puchberg (Buchberger) und dessen Gattin Maria Catharina, der Tochter des Rentschreibers (Verwalters) der hiesigen Propstei Leopold Joseph Sinel.

Taufeintrag Johann Michael Puchbergs (Buchberger), 22. September 1741; Pfarrarchiv Zwettl, Geburts- und Taufprotokoll, Sign. 1/4, fol. 605.

Taufeintrag Johann Michael Puchbergs (Buchberger), 22. September 1741
Pfarrarchiv Zwettl, Geburts- und Taufprotokoll, Sign. 1/4, fol. 605.

Vater Puchberg, der Zwettler Stadtschreiber und spätere Syndikus, war eine der mächtigsten und einflussreichsten Persönlichkeiten dieser Stadt. Er leitete nicht nur die städtische Verwaltung, er dominierte vielmehr geradezu das politische Leben in Zwettl, wie man aus den Ratsprotokollen jener Zeit zu schließen geneigt ist. Er traf Entscheidungen, fällte Urteile, knüpfte Kontakte und nützte seine Kenntnisse und Beziehungen weitgehend selbstständig und unabhängig von Richter und Rat, den eigentlichen Entscheidungsträgern der Stadt.
Johann Michael Puchberg jun. verbrachte seine Jugend in Zwettl und arbeitete zunächst in der Kanzlei seines Vaters. Seine Interessen lagen aber mehr im Wirtschafts- und Handelswesen und so entschied er sich für eine Ausbildung in diese Richtung. 1768 trat er in Wien in die k. k. privilegierte Niederlage des Michael Salliet ein. Hier begann Puchbergs steile Karriere als Handelsmann. Die Brüder Michael und Claude Salliet handelten mit Seidenwaren, Tüchern, Bändern und Handschuhen und betrieben eine eigene Seidenmanufaktur. Johann Michael Puchberg erwies sich als so geschickt und umsichtig, dass ihn Michael Salliet bereits nach kurzer Zeit zum Geschäftsführer bestellte und ihm die Leitung des gesamten Handels- und Fabrikationsbetriebes übergab. Als Salliet 1777 völlig unerwartet starb, hinterließ er seiner 29-jährigen Witwe Elisabeth und seinen fünf minderjährigen Kindern das beachtliche Vermögen von 217.000 Gulden (umgerechnet mehr als 49 Millionen Euro). Puchberg blieb weiterhin Geschäftsführer, und am 15. August 1780 heirateten er und Elisabeth Salliet im Dom von St. Stephan.
Der erfolgreiche Großkaufmann Johann Michael Puchberg war ein vielseitig interessierter Mensch, der sich auch vom Gedankengut der Freimaurerei angesprochen fühlte. 1773/74 wurde er in die Loge „Zu den drei Adlern“ aufgenommen. In seiner Zeit als Freimaurer kam Puchberg nachweislich in Kontakt mit Wolfgang Amadeus Mozart. Wahrscheinlich waren beide aber schon vorher aufeinander getroffen. Aus diesem Kontakt entwickelte sich eine enge Freundschaft, in die auch die beiden Familien einbezogen waren. Mozart bezeichnete Puchberg einmal einen "ächten und wahren Freund".
1787/88 wurde Mozarts Leben von persönlichen Schicksalsschlägen überschattet. Im Mai 1787 starb Vater Leopold und im Juni 1788 sein viertes Kind Theresia Constantia im Alter von sechs Monaten. Zugleich geriet er in finanzielle Bedrängnis. In dieser Zeit schrieb Mozart den ersten sogenannten Bettelbrief an seinen Freund Puchberg, der damals, wohl am Höhepunkt seiner beruflichen Karriere, einer der größten Kaufmänner Wiens war. Insgesamt 21 „Bettelbriefe“ sind erhalten, in denen Mozart seinen Freund jeweils um größere Summen bat. Puchberg kam der Bitte jedes Mal nach, wenn auch die Darlehenssumme immer geringer war als von Mozart erwünscht. Insgesamt dürfte Puchberg seinem Freund in den Jahren 1787/88 bis 1791 ca. 1.415 Gulden (an die 33.000,-- Euro) geliehen haben.
Bei Mozarts Tod am 5. Dezember 1791 war noch ein Teil der Schulden offen. Puchberg machte diesen Betrag bei der Gläubigerversammlung im Verlassenschaftsverfahren mit Rücksicht auf die angespannte finanzielle Lage der Witwe jedoch nicht als Forderung geltend. Er bot sich vielmehr als Vormund für die Halbwaisen an und wurde auch dazu bestellt. Die noch offenen Schulden zahlte Konstanze Mozart übrigens in späteren Jahren in voller Höhe zurück.
1793 suchte Johann Michael Puchberg um Erhebung in den Adelsstand an. Wegen seiner besonderen Verdienste um die Monarchie im Allgemeinen und um den Handelsstand im Besonderen kam Kaiser Franz II. dieser Bitte nach. Puchberg durfte nun ein Familienwappen (mit drei Halbmonden) führen und sich „Edler von“ nennen. Zugleich begann aber auch sein wirtschaftlicher Niedergang. Da die Erbteile der Kinder ausbezahlt werden mussten, löste Puchberg 1794 die Michael-Sallietsche-Niederlags-Handlung auf und wurde selbstständiger Großhändler. Sein Geschäft, das zuletzt im Zwettlhof in der Wollzeile beheimatet war, kam aber nie so richtig in Schwung. Die Unruhen der napoleonischen Kriege trugen sicherlich dazu bei, dass Puchberg 1801 den Konkurs anmelden musste und sein Handelsgeschäft am 30. März 1802 endgültig schloss.
Johann Michael Edler von Puchberg starb am 21. Jänner 1822 in Armut in Wien-Wieden. Er liegt in Matzleinsdorf begraben.

Stadtarchiv Zwettl, April 2006

Literatur:
Gabriele Schneider, Johann Michael Puchberg. Aufstieg und Fall von Mozarts Freund und „Bruder“. In: Wiener Geschichtsblätter 55 (2000) S 286-299.
Rüdiger Wolf, Wiener Wirtschaftsadel um Mozart, 1781-1791. In: Mitteilungen der Internationalen Stiftung Mozarteum 50 (2002) S 16-48.