Legendäre Schulschluss Open-Airs in Zwettl

Veröffentlichungsdatum27.06.2024Lesedauer7 Minuten
Eine Menschenmenge in einem Stadion

Beim 1. Schulschluss Open-Air am 29. Juni 1984 traten Maria Bill, Rainhard Fendrich und Stefanie Werger am Hauptplatz von Zwettl auf.

“I am from Austria” und “You´re In The Army Now”

Wer kennt sie nicht diese beiden großen Hits aus den 1980er Jahren? In Zwettl waren sie von Rainhard Fendrich und Status Quo live zu hören. 40 Jahre ist es her, als das erste Schulschluss Open-Air auf Initiative des damaligen Kulturstadtrates Leopold Rechberger am Zwettler Hauptplatz über die Bühne ging. Der Lokalpolitiker konnte mit Hilfe von Paul Twaroch, dem damaligen Intendanten von Radio Niederösterreich, finanzkräftige Sponsoren wie Milchwirtschaft, Raiffeisenjugendclub und KURIER gewinnen. Sogar das Landesstudio leistete einen finanziellen Beitrag zum Konzert. Schließlich bestanden seit der Landesausstellung im Stift Zwettl 1981 ausgezeichnete Kontakte zum ORF, und Paul Twaroch war ein großer Förderer des Waldviertels und speziell von Zwettl. Zusätzlich lief die Werbung für das Open-Air auf dem Sender auf und ab. Durch die Kontakte des Landesstudios mit den einschlägigen Musikmanagern konnte auch ein – für Zwettler Verhältnisse – hochkarätiges Programm geboten werden.

Bei jenem ersten Schulschluss Open Air am 29. Juni 1984 trat Andy Marek – heute bekannt als Stadionsprecher für SK Rapid Wien – mit seiner Band als Vorgruppe auf. Es folgten die Sängerin und Schauspielerin Maria Bill, die mit „I mecht so gern landen“ einen nationalen Hit hatte, und Stefanie Werger. Schließlich trat der damals aufsteigende Stern am Austro-Pop-Himmel, Rainhard Fendrich, auf. Er hatte 1983 mit seiner Single „Weus’d a Herz hast wia Bergwerk“ einen seiner größten Hits geschaffen. Die Stars und ihre Bandmitglieder wurden im Gasthaus Todt – s´Beisl gab es erst ab 1988 – verpflegt, wo die Gästezimmer als Garderoben dienten und der heutige Frühstücksraum für das Catering vorgesehen war.

Franz Fischer, Hauptorganisator seitens der Stadtgemeinde Zwettl, meint rückblickend, es sei eine verrückte aber schöne Zeit gewesen. Ein derartiges Konzert war totales Neuland, in der Organisation musste viel improvisiert werden. Vom Bauhof wurden z.B. auf dem Hauptplatz entlang der Gehsteige Gitterzäune errichtet, damit das Festivalgelände abgesperrt und gleichzeitig ein reibungsloser Einkauf in den Geschäften möglich war. Überhaupt waren den ganzen Tag über Bedienstete der Gemeinde bei allen möglichen Arbeiten beschäftigt: Mitarbeiter des Bauhofes halfen beim Bühnenauf- und -abbau, erledigten diverse Besorgungen und reinigten nach dem Event den Hauptplatz, was noch in derselben Nacht geschah. Mitarbeiter des Stadtamtes kümmerten sich um den Einlass und saßen an der Abendkassa oder agierten gemeinsam mit der Feuerwehr als Security, ein Umstand der heute unvorstellbar wäre. Eine Eintrittskarte kam übrigens im Vorverkauf auf 90 Schilling (umgerechnet € 6,70).

Mehr als 3.500 Zuschauer trotzten am 29. Juni 1984 dem Regen und bejubelten ihre Stars. In der Nachberichterstattung wurde die „friedliche Anhängerschar“ besonders gelobt, die nicht „auf die Bühne und das Kriegerdenkmal kletterte“ und so den Musikern einen unvergesslichen Abend bescherte. Dieses vorbildliche Verhalten des Publikums setzte sich in den darauffolgenden Jahren fort. Auch beim verregneten Schulschluss Open-Air im Juni 1985 ließen die „Zwettler Rock-Fans“ bei Alexander Goebels Rock-Horror-Show „ohne Exzeß die Sau raus“, wie die Zwettler Nachrichten berichtete. Mit Stefanie Werger und Wilfried griffen erneut echte Austro-Popper zum Mikrofon. Im Vorprogramm spielten Lokalmatador Paul Coxx & die Panzerknacker auf.

Beim jenem zweiten Schulschluss Open-Air in Zwettl hatte es sich bereits herumgesprochen, dass es in den Wohnungen rund um den Hauptplatz quasi „Logenplätze“ für das Konzert gäbe. Laut der Zwettler Nachrichten fanden sich dort einige Zuhörer ein, die das Konzert mit freier Sicht auf die Bühne genossen. Dies brachte wahrscheinlich einen weiteren Vorteil für alle mit sich, wie Johannes Hoppe, jener Radiomoderator, der den Abend moderierte, resümierte: „Keiner der Bewohner hat sich aufgeregt. Da könnten sich die Wiener ein Scheibchen abschneiden“.

Status Quo in ZwettlDie britische Band Status Quo verkostet Zwettler Bier beim improvisierten Bieranstich, 1987

Das Konzert im Juni 1986 von Joachim Palden, Etta Scolo, Alexander Goebel und Wolfgang Ambros war sehr gut besucht. Das absolute Highlight in der Konzertreihe war jedoch eindeutig das Open-Air am 7. Juli 1987. Damals trat die weltbekannte britische Gruppe Status Quo auf. Fast 4.000 Besucher drängten sich am Zwettler Hauptplatz und rockten mit 40.000 Watt Lautstärke zum Hit „You´re In The Army Now“. Es war übrigens das einzige Konzert, das nicht direkt am Zeugnistag stattfand, sondern am ersten Dienstag in den Ferien. Diese kleine Terminverschiebung war dem dichten Terminkalender der Weltstars geschuldet.

Franz Fischer, der nach wie vor federführend im Organisationsteam wirkte, erinnert sich, dass an jenem Dienstagnachmittag das Begräbnis eines namhaften Zwettlers stattfand, welches durch den lautstarken Soundcheck gestört worden wäre. Mit einem kurzfristig inszenierten Bieranstich – das Holzfass kam von Karl Schwarz – wurde eine halbe Stunde „gewonnen“, sodass die Zeremonie in der Stadtpfarrkirche in Ruhe abgehalten werden konnte.

Das vierte Schulschluss Open-Air wurde aus organisatorischen Gründen vorverlegt. Die Umgestaltung der Oberen Landstraße und des Dreifaltigkeitsplatzes war zu Beginn des Jahres 1988 vollendet. Die Eröffnung sollte mit einem Pfingstspektakel und einem Open-Air begannen, werden. Letztendlich spielte das Wetter nicht mit, das Konzert und andere Outdoor-Veranstaltungen fielen buchstäblich ins Wasser.

Der damalige Bundesrat der SPÖ Erich Farthofer startete in den Zeitungen eine Kampagne und wollte „das Konzert retten“, hielt aber gleichzeitig fest, dass das Ersatzkonzert „nicht vergleichbar wäre mit dem Original“, einfach weil nur sehr kurze Zeit für die Organisation zur Verfügung stünde. SJ und Freizeit-Klubs sollten die Organisation und Durchführung übernehmen. Als möglicher Termin wurde sogleich Freitag, der 1. Juli 1988 vorgeschlagen.

In den Lokalzeitungen finden sich Berichte, dass dieses Ersatzkonzert mit vier Gruppen auf der Schwarzalm stattfinden sollte, bei Schlechtwetter wollte man in den Hamerlingsaal ausweichen. Schließlich wollte die Zwettler Kaufmannschaft – nach Aussage von Bundesrat Erich Farthofer – keine Störung des Einkaufsnachmittags hinnehmen. Laut späterer Berichte wurde der Stimmenimitator Alexander Bisenz angefragt. Falls er keine Zeit hätte, so wollte man die Gruppe Drahdiwaberl engagieren. Der Gastwirt und Discobesitzer Siegl sollte antialkoholische Getränke wesentlich günstiger anbieten, um einen Beitrag zur „Aktion Minus 10%“ zu leisten, hob Herr Farthofer in einem Bericht hervor. Ob aus dieser Veranstaltung tatsächlich etwas wurde, lässt sich derzeit leider nicht feststellen. 

Beim Konzert 1989 konnte kein Besucherrekord mehr erzielt werden. „Nur“ rund 3.000 Besucher kamen am Hauptplatz zusammen, das Großaufgebot der Gendarmerie musste nicht einschreiten. Günter „MO“ Mokesch mit Band sollte als Vorgruppe Stimmung machen. Leider kam er eine halbe Stunde zu spät. Johannes Hoppe von der Jugendredaktion des Landesstudios , der wieder moderierte, musste nach MOs Auftritt die Zuhörer zu Zugabe-Rufen animieren. Erst als Peter Cornelius die Bühne betrat, hob sich die Stimmung im Publikum, das schließlich von sich aus mehrere Zugaben einforderte. Die schottische Rockband Nazareth zog bei Dudelsackklängen auf die Bühne und rockte bis spät in die Nacht.

Franz Fischer war auch bei diesem Konzert als Organisator mit dabei – aber erst ab dem Nachmittag. Den Vormittag verbrachte er bei seiner Frau Gerlinde im Zwettler Krankenhaus, die gemeinsame Tochter Theresa war am Morgen des Konzerttages zur Welt gekommen. 

Im Juni 1990 traten Reinhold Bilgeri und Rainhard Fendrich in Zwettl auf, im darauffolgenden Jahr stand die EAV auf der Bühne. Dieses Konzert fand jedoch aus Platzgründen auf dem Sportplatz im Zwettltal statt, weil man mit mehreren tausenden Besuchern rechnete. Doch schon im Vorverkauf überraschte das geringe Publikumsinteresse und letztendlich fanden sich nur rund 1.200 Zuhörer am Festivalgelände ein. Manch Besucher war nach dem Konzert auch enttäuscht, weil die Band anscheinend auf Playback zurückgriff.

Beim Schulschluss Open-Air 1992 trat die Zwettler Band „Busenfreunde“ als Vorgruppe auf. Den Haupt-Act bestritten The Untouchables, Andy Baum und Opus, letztere starteten sogar ihre große Österreich-Tournee in Zwettl. Dieses 8. Schulschluss Open-Air hätte sich mehr Zuhörer verdient, es kamen nur rd. 2.000 Besucher auf den Hauptplatz. Laut NÖN lag eine „Klangwolke aus bluesigen, popigen und rockigen Klängen“ über der Stadt, „umrahmt von Blitz und Donner“.

Hubert von Goisern setzte 1993 den Schlusspunkt in die Reihe der Schulschluss Open-Airs. Im Jahr 1994 wurde der Hauptplatz umgestaltet und der Hundertwasserbrunnen errichtet. Seither fanden keine großen Open-Air-Konzerte mehr auf diesem Platz statt.

Ö3 Beachmania 2000Die Zwettler Fans feiern ihre Stars bei der Ö3 Beachmania, 2000

1996 wurde ein Relaunch unter dem Titel „Singing Swinging Zwettl“ versucht. Man baute am Haupt- und am Dreifaltigkeitsplatz jeweils eine Bühne auf, wo Bluatschink und Tony Vegas aufspielten. Nach der Umgestaltung des Neuen Marktes nutzte die Stadtgemeinde diesen Platz immer wieder für Konzerte. Den Auftakt machte die Ö3 Beachmania am 1. Juli 2000, bei der Kim Lukas, Belle Perez, Yellow Mellow und Shaggy auftraten, begleitet von Lasershows, Disco- und Showeinlagen. 

Die Umstände hatten sich aber im Vergleich zu den 1980er und 90er Jahren grundlegend geändert. Nicht nur die Gagen der Künstler waren gestiegen, auch für Bühne, Ton und Licht musste man mehr veranschlagen und zusätzliche Sicherheitsauflagen wie z.B. professionelle Security machten schließlich das finanzielle Risiko für eine Gemeinde wie Zwettl zu groß. Somit konnte diese beliebte und heute schon legendäre Serie der Schulschluss Open-Airs in Zwettl nicht auf Dauer fortgesetzt werden.