Thema des Monats August 2019

Veröffentlichungsdatum01.08.2019Lesedauer3 Minuten

Vor 400 Jahren: Kommission überprüft Kriegsschäden in Zwettl

Am 21. August 1619 ordnete Erzherzog Leopold, der Bruder Kaiser Ferdinands II., von diesem im selben Jahr zum Statthalter nach Wien berufen, an, dass Thomas Hoffer, Pfarrer und Dechant in Altpölla sowie der Schlüsselamtmann Christoph Peckhamer aus Krems als Kommissare vor Ort in Zwettl untersuchen sollten, welchen Schaden die Böhmischen Rebellen angerichtet hatten, als diese am 27. November 1618 in die Stadt gewaltsam eingedrungen waren und hier 30 Wochen lang geplündert und gehaust hatten.
Am Beginn des Dreißigjährigen Krieges, rückten böhmische Truppen unter dem Kommando des Grafen Heinrich Schlick in das Waldviertel bis nach Zwettl vor. Nachdem sie durch Kundschafter festgestellt hatten, dass sich in der Stadt keine besonders starke Besatzung befand, zogen sie in den Nachtstunden des 27. November heimlich vor die Stadt. Sie verhielten sich sehr leise, besetzten den Oberhof, befahlen den dortigen Bauern absolute Ruhe und sammelten alle verfügbaren Leitern ein. Dann zogen sie vor das Oberhofer Tor, wo ein Bürger Wache hielt, der sofort schrie, wer da sei und was man wolle. Unwirsch riefen sie zum Tor hinauf: „Du Nichtsnutz, öffne sofort das Tor, oder wir werden dich mit einer Kugel durchbohren!“ Der Wächter, der glaubte, es mit Kaiserlichen zu tun zu haben, antwortete entrüstet: „Warum kommt ihr nicht am Tag, wenn ihr etwas haben wollt? Wartet also, bis ich zum Richter gehe und den Torschlüssel hole.“ Als er wegging, brachen sie das erste Tor mit einer Petarte (= geballte Sprengladung, um Mauern oder Tore zu brechen) auf. Von der starken Zugbrücke aufgehalten, gelang es ihnen mit den mitgebrachten Leitern die Bastei zu überwinden. Beim Versuch, auch das innere Tor aufzusprengen, fing der Torturm Feuer. Letztlich brachen sie das Tor mit Äxten auf. Inzwischen hatten die Mannschaften der beiden benachbarten Türme (Kesselboden- und Schulturm) auf die Eindringlinge zu schießen begonnen, was diese aber nicht aufhalten konnte. Obwohl die Bürger aus ihren Fenstern auf die Feinde schossen und die kaiserliche Besatzung auf dem Platz beim Rohrbrunnen (Dreifaltigkeitsplatz) Aufstellung genommen hatte und sich nach Kräften wehrte, gewannen die Böhmen die Oberhand und eroberten die Stadt.
Auf beiden Seiten gab es große Verluste. Zahlreiche Eindringlinge fielen, unter ihnen auch ein Hauptmann namens Capliers. Die kaiserlichen Soldaten und die bewaffneten Bürger wurden teils getötet, wie zum Beispiel die fünfköpfige Familie Fasching, teils gefangen genommen. Häuser wurden geplündert und unschuldige Menschen misshandelt. Die Feinde beraubten auch das Spital und die Pfarrkirche. Der Pfarrvikar Georg Kramer konnte als Müller verkleidet unerkannt entkommen.
Die Zwettler Stadtregierung verfasste um 1649, am Ende dieses langen Krieges, ein Dokument, in dem sie die Bedrängnisse und Schäden auflistete, welche die Stadt im Laufe des Krieges zu erdulden hatte. 

StAZ, Ratsprotokolle, Sign. 02-06, fol. 151r, Ausschnitt - © Stadtarchiv Zwettl
© Stadtarchiv Zwettl

Dieses Dokument ist in Transkription unter dem Titel „Wahrer und gründlicher Bericht“ auf der Homepage des Stadtarchivs Zwettl einzusehen https://www.zwettl.gv.at/Transkribierte_Bestaende

Zum Dreißigjährigen Krieg siehe auch: Doris Gretzel, Die landesfürstliche Stadt Zwettl im Dreißigjährigen Krieg. = Zwettler Zeitzeichen Nr. 9.