Kuenringer / Walther von der Vogelweide

AzzoDer Turmbereich des zweiten Raumes ist den Stadtherren, besonders den Kuenringern gewidmet. Aufschluss über die damalige Zeit geben im Besonderen die Bilder aus dem Kuenringer-Stammbaum und die mittelalterlichen Waffen. Ein Faksimiledruck aus der „Bärenhaut“, dem Stifterbuch des Klosters Zwettl, zeigt die Szene, als im Jahr 1138 Hadmar (von Kuenring) und Abt Hermann jenes Stück Land umritten, das zur Gründung des Klosters Zwettl bestimmt war.

Vogelweide, KarteAußerdem können Sie sich in diesem Raum über Walther von der Vogelweide informieren. Er war einer der größten Lyriker und Spruchdichter des deutschen Mittelalters. Einer mittlerweile auch in Fachkreisen weitgehend anerkannten Theorie zu Folge stammte Walther von der Vogelweide aus dem Waldviertel. Er könnte in dem seit dem 17. Jahrhundert verödeten Dorf Walthers bei Hörmanns im Gemeindegebiet von Zwettl zur Welt gekommen und aufgewachsen sein. Eine Vitrine in diesem Museumsbereich enthält zahlreiche Fundstücke, die im Bereich der Wüstung Walthers ausgegraben wurden.

Hier eines der berühmtesten Gedichte Walthers von der Vogelweide (und Übersetzung ins Neuhochdeutsche)

Ich saz ûf eime steine (Original)
Ich saz ûf eime steine
und dahte bein mit beine.
dar ûf satzt ich den ellenbogen.
ich hete in mîne hant gesmogen
daz kinne und ein mîn wange.
dô dahte ich mir vil ange,
wie man zer welte solte leben.
deheinen rât kond ich gegeben,
wie man driu dinc erwurbe,
der keinez niht verdurbe.
diu zwei sint êre und varnde guot,
daz dicke ein ander schaden tuot:
daz dritte ist gotes hulde,
der zweier übergulde.
diu wolte ich gerne in einen schrîn:
jâ leider desn mac niht gesîn,
daz guot und weltlich êre
und gotes hulde mêre
zesamene in ein herze komen.
stîg unde wege sint in benomen:
untriuwe ist in der sâze,
gewalt vert ûf der strâze,
fride unde reht sint sêre wunt.
diu driu enhabent geleites niht,
diu zwei enwerden ê gesunt.

Ich saß auf einem Stein (Übersetzung)
Ich saß auf einem Stein
und schlug ein Bein über das andere.
Darauf legte ich den Ellenbogen.
Ich hatte in meine Hand
das Kinn und meine eine Wange geschmiegt.
So dachte ich mit ängstlicher Sorgfalt,
wie man auf der Welt leben sollte.
Ich wusste keinen Rat zu geben,
wie man drei Dinge erwürbe,
von denen keines zu Schaden komme.
Zwei sind Ansehen und fahrendes Gut,
die sich häufig einander schädigen:
das dritte ist Gottes Gnade,
die mehr wert als die zwei anderen ist.
Diese wollte ich gerne in einen Schrein
beisammen haben.
Fürwahr kann es leider nicht geschehen,
dass Besitz und Ansehen in der Welt
noch dazu Gottes Gnade
zusammen in ein Herz kommen.
Steg und Weg sind ihnen genommen:
Treulosigkeit lauert im Hinterhalt,
Gewalt herrscht auf der Straße,
Friede und Recht sind sehr wund:
Die drei haben keinen Schutz,
bevor die zwei nicht gesund werden.