Zwettl hatte bereits im 13. Jahrhundert – gefördert durch landes- und grundherrliche Privilegien – eine beachtliche wirtschaftliche Bedeutung in der Region erlangt. Es darf daher angenommen werden, dass sich auch hier bereits frühzeitig Juden niederließen, da ihnen besonders ab dem 13. Jahrhundert eine bedeutende Rolle im Wirtschaftsleben (speziell im Kreditwesen) zukam, zumal den Christen das Geldverleihen gegen Zinsen verboten war. Die schriftlichen Zeugnisse darüber sind allerdings äußerst spärlich. So finden sich lediglich im Stiftsarchiv Zwettl Hinweise auf zwei Juden namens Jesche und Abraham, die im 14. Jahrhundert (1316, 1317 und um 1326) in Zwettl ansässig waren und Geld an Kleinadelige und an das Kloster verliehen. Der Jude Jesche aus Zwettl wird in einem weiteren Dokument aus dem Jahr 1337 genannt.
Dazu siehe: Folker Reichert, Zur Geschichte der inneren Struktur der Kuenringerstädte. In: Kuenringerforschungen. JbLKNÖ NF 46/47 (Wien 1980/81) S 176. Bzw.: Walter Pongratz, Die ritterliche Familie der Tuchel in Niederösterreich. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, NF 34 (1958-1960) S 126.
1338 kam es auch in Zwettl zu Judenverfolgungen, wie der Stift Zwettler Abt Johann Bernhard Linck (1646-1671) in seinen 1723 im Druck eschienenen "Annales Austrio Clara-Vallenses" (Band 1, Seite 705) vermerkte. Damals (1338) fielen das christliche Osterfest und das jüdische Paschafest auf einen Termin zusammen. Als man angeblich im oder vor dem Haus eines Pulkauer Juden eine blutige Hostie fand, brach ein furchtbares Pogrom aus, bei dem fast alle Juden im Wald- und im westlichen Weinviertel ermordet wurden. Betroffen waren jedenfalls die Orte Drosendorf, Eggenburg, Gars, Hadersdorf, Horn, Pulkau, Raabs, Rastenfeld, Retz, Weiten und Zwettl.
Bis ins 16. Jahrhundert fehlt dann jede Nachricht, die auf in Zwettl ansässige Juden hinweisen könnte. Erst das Urbar von 1560, eines der ältesten Schriftstücke des Stadtarchivs, nennt eine Judengasse (heute Hamerlingstraße).
Nennung der Judengasse im
Urbar von 1560
(Stadtarchiv Zwettl, Sign. 6/1, fol. 21v)
Möglicherweise handelt es sich dabei um einen Hinweis auf ein Ghetto in dieser Stadt. Die Eintragungen in diesem Buch bieten aber keine weiteren Anhaltspunkte.
Friedel Moll, 8/2003
Literatur:
Klaus Lohrmann, Das Waldviertel und die Juden im Mittelalter. In: Friedrich Polleroß (Hg), Die Erinnerung tut zu weh. Jüdisches Leben und Antisemitismus im Waldviertel (= Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes, Band 37, Horn 1996)
Friedel Moll, Juden in Zwettl. In: Friedrich Polleroß (Hg), Die Erinnerung tut zu weh. Jüdisches Leben und Antisemitismus im Waldviertel (= Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes, Band 37, Horn 1996)