Das in seinem Kern frühgotische Haus gehört zu den ältesten Bauten der Stadt Zwettl. Vor 1307 kam es durch Leutold I. von Kuenring-Dürnstein (1243-1312) in den Besitz dieses für die Stadt Zwettl und die gesamte Region so wichtigen Adelsgeschlechts. 1307 ließ Leutold I. das Haus entweder neu errichten oder umbauen.
Nach dem Tode Leutolds übernahm 1312 Rudolf von Liechtenstein, ein Enkel Euphemias von Kuenring-Pottendorf, Stadt und Herrschaft Zwettl. Die Puchheimer verkauften das Herrenhaus am Hauptplatz, das sie durch eine Erbschaft als „freies Eigen“ besaßen, am 20. Jänner 1483 der Bürgerschaft Zwettl, die es nun als Rathaus verwendete. Hier tagten Richter und Rat der Stadt, hier wurden wichtige Entscheidungen und Gerichtsurteile gefällt, hier befand sich auch ein Gefängnis, der Bürgerarrest.
1549/50 wurde an der Vorderfront ein quadratischer Turm errichtet, hinter dessen runder Toröffnung noch das ältere, gotische, schön profilierte Spitzbogenportal zu erkennen ist. Auch in den hinteren Hof führt ein spitzbogiges gotisches Tor. Das Rathaus wurde häufig umgebaut, auch wegen der zahlreichen Brandkatastrophen, unter denen die Stadt zu leiden hatte. 1549/50, als der quadratische Turm errichtet wurde, schmückte man die Vorderfront mit Sgraffiti. Diese weisen Bezüge zu der Funktion des Hauses als Sitz der städtischen Verwaltung und des Stadtrichters auf. So finden sich am Turm Teile einer Darstellung des Jüngsten Gerichts und von zwei Richtern aus dem Alten Testament (Gideon und Saul). Die rechte Giebelwand zeigt einen Scharfrichter, die linke die tapfere Judith mit dem Haupt des Holophernes und den weisen Salomon. Darunter befinden sich Reste einer Darstellung der Fabel vom Vater, seinem Sohn und dem Esel, die es der Welt nicht recht machen konnten, ob nun der Vater auf dem Esel ritt oder der Sohn oder beide, ob sie beide gingen oder gar den Esel trugen.
Ein Spruch an der linken Schmalseite des Turmes knüpft an diesen Gedanken an. Er ist wohl für all jene gedacht, die im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen: „Der an der Straßn bauen wil, der mus haben der maister vil, was er Allen tet wolen Recht. Dem ainen ist es krumb dem andern es schlecht.“
Rechts und links vom Eingang befindet sich je eine Darstellung von Kaiser Karl V. und König Ferdinand I. mit ihren persönlichen Wappen. Neben dem Kaiser sieht man das Doppeladlerwappen (Kaiser und König), das durch den Turm Kastiliens und den österreichischen Bindenschild Spanien und Österreich symbolisiert. Daneben finden sich zwei weitere Attribute des Wappens Karls V., nämlich die beiden Säulen und auf dem Spruchband sein Wahlspruch „PLVS VLTRA“ (Immer weiter!). Das Wappen König Ferdinands kombiniert Böhmen und Ungarn durch den gestreiften Schild (Alt-) Ungarns und den böhmischen Löwen. Auf dem Spruchband daneben steht die Devise „IVSTITIA FIAT AVT PEREAT MVNDVS“ (Der Gerechtigkeit ihren Lauf, und möge auch die Welt darüber zugrunde gehen!). Zu Füßen der Herrscherfiguren stehen die Jahreszahlen 1549 und 1550, die sich auf den Umbau und die Herstellung der Sgraffiti beziehen. Als sich 1678 Risse in der Fassade zeigten, errichtete man die beiden Eckpfeiler als Stützen.
1976 wurden die Sgraffiti wieder entdeckt. 1978 ließ die Stadtgemeinde die Sgraffiti freilegen und restaurieren. Eine weitere Restaurierung, die sich um eine möglichst originalgetreue Wiedergabe bemühte, erfolgte 2002 durch den in Zwettl ansässigen akademischen Restaurator Mag. Ralf Wittig.
Die Turmspitze schmückt ein „Doppeladler“, das Symbol des alten Kaiserreiches Österreich. Dieser wurde nach dem Brand von 1814 angebracht und zuletzt 2002 restauriert. Seit diesem Jahr wird auch jeder der beiden Eckpfeiler wieder von einem Adler bekrönt. Sie tragen die Wappen der Stadt Zwettl und des Landes Niederösterreich.
Im Turm befand sich einst die Türmerstube. Hier hauste der Stadttürmer. Er musste vor allem während der Nacht Wache halten und bei Feuergefahr Alarm schlagen. Damit er auch wirklich wach blieb und sich nicht einfach schlafen legte, musste er zu jeder vollen Stunde seinen Ruf über die Stadt erschallen lassen. Im frühen 18. Jahrhundert übte für einige Jahre eine Frau diesen wichtigen Dienst aus.
Weiters befanden sich im Turm das so genannte Bräunglöckl, das bis etwa 1895 zweimal täglich geläutet wurde (morgens eine Stunde vor und abends eine Stunde nach dem Ave-Maria-Läuten). Diese Glocke, die schon im 17. Jahrhundert so genannt wurde, sollte durch ihr Läuten die Bewohner der Stadt vor der Diphtherie (= der Bräune) schützen.
Bis 1850 wurde das Gebäude als Rathaus verwendet, dann beherbergte es bis 1975 das Bezirksgericht. Im Hof hinter dem Hauptgebäude entstand nach 1850 ein Gefangenenhaus, das 1992 einem Zubau der Sparkasse weichen musste.
Seit 2000 befinden sich im Erdgeschoß die Tourismusinformationsstelle und andere Fremdenverkehrseinrichtungen. Der erste Stock und das Dachgeschoß beherbergen das Stadtmuseum mit der „Anton-Sammlung“, einem Sonderausstellungsraum und einem Bereich für museumspädagogische Aktivitäten.
Das alte Rathaus
Foto Werner Fröhlich, 2000