Am 25. Juli 1419 verkaufte Rudolf von Liechtenstein sein „rechtes Eigen“, die Stadt Zwettl, mit allem „Zubehör“ an Herzog Albrecht V. um 6.500 Pfund Wiener Pfennige. Damit war Zwettl landesfürstliche Stadt geworden. Unter diesem „Zubehör“ sind verschiedene Nutzungsrechte und Privilegien zu verstehen, die mit der Stadtherrschaft verbunden waren. Seit Zwettl landesfürstliche Stadt war, wurden diese Rechte auch landesfürstliche Ämter genannt. Für ihren Inhaber brachten all diese „Ämter“ wirtschaftlichen Gewinn. Zu ihnen gehörten:
- Das Fischwasser am Kamp von Roiten bis zum Wehr bei Oberhof.
- Die Brühlfelder, ein ursprünglich herrschaftlicher Grund, der sich über die gesamte Berglehne unterhalb der Propstei bis zur Zwettl erstreckte. Diese Grundstücke wurden ab dem 16. Jahrhundert an Bürger als Krautgärten und Wiese verpachtet.
- Ein Wald am Weißenberg, 4 Joch groß.
- Die „An- und Ablait“, es war das eine Gebühr, die bei Grundverkäufen eingehoben wurde.
- Die Maut, eine bestimmte Taxe also, die für jedes Zug- oder Tragtier, für jedes Fuhrwerk, geführte oder getragene Ware usw. beim Eintritt in den Rayon der Stadt zu entrichten war.
- Das „Ungeld“, eine Getränkesteuer, die 1359 in Österreich eingeführt worden war.
- Die „Urbarsteuer“, das war die Grundsteuer von allen Häusern und Grundstücken in und vor der Stadt, von Scheunen und Fischkaltern, Fleisch- und Brotbänken.
- Das „Raißgejaidt“, das war die Jagdgerechtigkeit auf der Feldfreiheit der Stadt und mehrerer umliegender Dörfer.
- Das Landgericht in der Stadt und 78 umliegenden Dörfern und Einschichten, die Gerichtsbarkeit über alle im Landgerichtssprengel verübten Vergehen und Verbrechen also. Damit hatte der Stadtrichter auch das Recht, sogar über Leben und Tod zu urteilen. Allerdings bedurften Todesurteile einer Bestätigung durch das Appellationsgericht in Wien, die im Namen des Kaisers erfolgte. Das Gericht war für seinen Inhaber meist ein recht einträgliches Geschäft, fielen doch verschiedene Gebühren und Strafgelder an.
Die Verpachtung der landesfürstlichen Ämter
Da der Landesherr aber fast immer in Geldnöten war, trachtete er danach, diese „Ämter“ gegen einen fixen jährlichen Betrag zu verpachten. Und die Zwettler bemühten sich bereits seit der Mitte des 15. Jahrhunderts unablässig, soweit es die Stadtfinanzen erlaubten, selbst als Pächter auftreten zu können, um nicht von einem fremden Herrn abhängig zu sein und bevormundet zu werden. 1529, im Jahr der ersten Belagerung Wiens durch die Türken, zahlten sie dafür an Kaiser Ferdinand I. 200 Gulden. 1533 hatte sich die wirtschaftliche Situation der Stadt aber deutlich verschlechtert. Die Bürger waren genötigt um Nachsicht der Steuern zu bitten, weil, wie sie anführten, „die Erwerbsquellen versiegt und seit der Brandkatastrophe von 1500 immer noch 24 verödete Häuser in und vor der Stadt lagen.“ So verpfändete der Kaiser 1533 die landesfürstlichen Ämter von Zwettl um 5.000 Gulden dem vermögenden Kammerrat Hieronymus Beckh von Leopoldsdorf auf Lebenszeit.
Am 8. Juli 1560 verkaufte dieser aber sein Pfandrecht seinerseits an Peter von Mollarth, Freiherr von Reinegg und Drosendorf. Noch im August des selben Jahres pachteten die Zwettler Bürger von Peter von Mollarth die Ämter um 400 Gulden pro Jahr. Auch in den folgenden Jahren waren die Zwettler immer wieder bemüht, dieses Pachtverhältnis zu erneuern, was auch gelang. Der Betrag wurde von Zeit zu Zeit erhöht, außerdem kamen dazu noch Naturalleistungen, wie etwa ein Kalb (oder auch mehrere Kälber) und eine größere Anzahl von Fischen, die dem Inhaber der landesfürstlichen Ämter von der Stadt alljährlich verehrt werden mussten. Die landesfürstlichen Ämter von Zwettl blieben bis ins 17. Jahrhundert bei der Familie Mollarth.
Zwettl kauft die Ämter
Im frühen 17. Jahrhundert besaß Wolf Ernst Freiherr von Mollarth die landesfürstlichen Ämter der Stadt Zwettl. Offenbar war dieser mit Beginn des Dreißigjährigen Krieges in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Jedenfalls erschien er am 23. September 1619 vor dem Rat der Stadt Zwettl und ersuchte um ein Darlehen von 500 Gulden, wofür er 1.000 Gulden zu quittieren bereit war. Als Dankbarkeit für die Gewährung dieses Darlehens „will ich Ihnen, weilen Sy bey diesen schweren Kriegs Zeiten dieses Landtgerichts nichts genossen, die Fisch und Kälber hiemit geschenkht und nachgelasen haben.“ Außerdem bot er dem Rat der Stadt an, für weitere 1.000 Gulden innerhalb eines Jahres seinen Pfandbrief über die landesfürstlichen Ämter an sie zu verkaufen. In den darauf folgenden Monaten stellte Mollarth dem Rat von Zwettl immer wieder Quittungen über erhaltene Beträge aus. Am 28. Juni 1620 ersuchte Mollarth um Auszahlung von 1.000 Gulden, da er auf Grund einer „firnemmen heirat“ viel Geld benötigen würde. Schließlich brachten die Zwettler den vom Freiherrn für den Verkauf der Ämter geforderten Betrag tatsächlich auf. Aus den vorhandenen Belegen ergibt sich eine in mehreren Raten erlegte Kaufsumme von insgesamt 4.300 Gulden, wobei jedoch tatsächlich nur 3.300 Gulden bezahlt worden sein dürften.
Siegel und Unterschrift des Ernst Wolf Freiherr v. Mollarth, 19. Juni 1620
Stadtarchiv Zwettl (StAZ), Kart. 30
Am 23. Dezember 1621 bestätigte Kaiser Ferdinand II. in einer Urkunde, nach Vorlage der Quittungen und des Kaufbriefes, den am 26. September 1620 erfolgten Verkauf der landesfürstlichen Ämter durch Ernst Wolf Freiherr von Mollarth an die Stadt Zwettl. Als Kausumme werden 5.000 Gulden angegeben. In der Urkunde heißt es in Bezug auf das Ansuchen von Richter, Rat und Bürgerschaft der Stadt um Bestätigung des Kontrakts: „weillen sy bey dieser Unruhe von vnsern Rebellen und derselben Kriegsvolcks vil erlitten, vnd ins verderben gebracht worden, Als haben wir soliches Ir gehorsambistes anlangen vnd Bitten, Ihnen zu ainer Gnad vnd ergözlichkait, genedigist bewilligt.“
Wien, 23. 12. 1621: Kaiser Ferdinand II. bestätigt den Ankauf der l. f. Ämter
StAZ, Sign. 1/49; Foto: Werner Fröhlich, Zwettl
Dies war ein eher selten beschrittener Weg, die Abhängigkeit vom Stadtherrn zu beenden, da einerseits die Stadtherrn selbst sonst kaum derartige Angebote machten, andererseits die Finanzkraft der meisten Städte für einen solchen Kauf zu gering war. Auch im Fall der Stadt Zwettl dürfte die Aufbringung der Kaufsumme wohl nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung der Bürgerschaft möglich gewesen sein. Der Kauf war jedoch für die Eigenständigkeit der Stadt von großer Bedeutung, da dadurch die Gefahr einer unmittelbaren Bevormundung durch den Pfandinhaber beseitigt worden war.
Literatur:
Doris Gretzel, Die landesfürstliche Stadt Zwettl im Dreißigjährigen Krieg (geisteswissenschaftliche Diplomarbeit Wien 2003) S 47-49.
Friedel Moll, Die Stadt und ihre Herren. In: Friedel Moll/Werner Fröhlich, Zwettler Stadtgeschichte(n). Alltagsleben in vergangener Zeit (2000) S 14-16.
Walter Pongratz, Die Geschichte der Stadt bis 1648. In: Hans Hakala/Walter Pongratz, Zwettl-NÖ I. Die Kuenringerstadt (Zwettl 1980) S 44-67.