Napoleonische Truppen im Quartier

Kriegsereignisse von 1809
1809 wagte Österreich den militärischen Alleingang gegen Napoleon. Man hatte zwar auf Unterstützung durch Russland und Preußen gehofft, doch diese blieb aus. Die österreichische Offensive, die von Erzherzog Karl am 10. April gegen Bayern vorgetragen wurde, kam bald zum Stehen. Bei Abensberg, Landshut, Eggmühl und Regensburg wurden die Österreicher zurückgeworfen und mussten den Rückzug antreten. Die Hauptarmee marschierte von Regensburg nach Budweis und wollte nördlich der Donau durch das Waldviertel und über Stockerau Wien erreichen. Nur ein kleiner Teil der Armee unter Feldmarschallleutnant Hiller marschierte am rechten Donauufer nach Osten.

Napoleon, Kaiser der Franzosen (StAZ, Sign. BA 02/Box1/8)

Napoleon, Kaiser der Franzosen
(StAZ, Sign. BA 02/Box1/8)

Napoleon kümmerte sich wenig um die Hauptarmee, sondern verfolgte Hiller, der bei Mautern die Donau überschritt. Schon am 10. Mai standen die Franzosen vor Wien, während die österreichische Hauptarmee unter Erzherzog Karl gerade Zwettl erreicht hatte.
Am 11. Mai beschossen die Franzosen durch sechs Stunden die Hauptstadt und am 13. Mai 1809 kapitulierte Wien. Da die Donaubrücke zerstört war, versuchte Napoleon noch am selben Tag Brückenköpfe bei Nußdorf und Kaiserebersdorf zu bilden. Von dort erreichte er die Lobau, die damals eine Insel war, und in weiterer Folge das Nordufer der Donau. Hier kam es am 21. und 22. Mai bei Aspern und Eßlingen zu einer Schlacht mit der österreichischen Hauptarmee unter Erzherzog Karl, in der die Österreicher siegreich blieben. Der österreichische Feldherr nützte diesen Erfolg aber nicht sofort aus, er wartete vielmehr ab. So konnte Napoleon alle verfügbaren Truppen zusammenziehen und einen zweiten Donauübergang wagen. Am 5. und 6. Juli kam es zur Entscheidungsschlacht von Deutsch-Wagram, in der Napoleon siegte. Die Österreicher zogen sich gegen Mähren zurück. Durch den Waffenstillstand, der am 12. Juli in Znaim geschlossen wurde, blieb Niederösterreich innerhalb der französischen Besatzungszone.

Erzherzog Karl in der Schlacht bei Aspern, 22. Mai 1809 Lithographie nach einem Gemälde von P. Krafft (StAZ, Sign. BA 05/5/36)

Erzherzog Karl in der Schlacht bei Aspern, 22. Mai 1809
Lithographie nach einem Gemälde von P. Krafft
(StAZ, Sign. BA 05/5/36)

Nun, 1809, war der Druck der Besatzungsmacht wesentlich stärker als nach dem Krieg von 1805. Die fremden Truppen waren oft rücksichtslos und brutal. Es kam zu Ausschreitungen und Gewalttaten. Die Hauseigentümer mussten für die Verpflegung der einquartierten Soldaten aufkommen. Besonders auf dem Land hatte die Bevölkerung durch Marodeure, Deserteure, aber auch durch Angehörige des Trosses zu leiden, und nicht immer wurde dabei von den Offizieren der Bevölkerung Hilfe geleistet.
Obwohl der Friede von Schönbrunn am 15. Oktober 1809 geschlossen wurde, blieben Teile der französischen Besatzungsmacht noch bis 20. Dezember im Waldviertel stationiert. Die Kreisämter erhoben, dass diese militärische Besetzung bis Mitte November in Niederösterreich Kosten von 138 Millionen Gulden verursacht hatte. Kosten, die vor allem die Zivilbevölkerung zu tragen hatte. Nur ein verschwindender Bruchteil davon wurde später ersetzt. Nach Krieg und Besatzungszeit hatte die Bevölkerung dann noch unter der Ruhr und anderen Epidemien zu leiden. Überdies war die Wirtschaft des Landes in den vorangegangenen Kriegsjahrzehnten so schwer geschädigt worden, dass am 20. Februar 1811 der Staatsbankrott erklärt werden musste.

Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung im Raum Zwettl
Nach der Niederlage von Regensburg zog also im Mai 1809 fast die gesamte kaiserliche Armee unter ihrem Generalissimus Erzherzog Karl von Budweis kommend über Zwettl und Stockerau in den Wiener Raum. Zunächst war es ein Kavallerieregiment des Fürsten Johann Josef von und zu Liechtenstein, das am 10. Mai Zwettl erreichte und auf den Feldern bei Rudmanns lagerte.

Johann Josef v. Liechtenstein (StAZ, Sign. BA 02/Box1/8)

Johann Josef v. Liechtenstein
(StAZ, Sign. BA 02/Box1/8)

Am nächsten Tag kam die Hauptmacht, und Zwettl war für kurze Zeit das Hauptquartier von Erzherzog Karl, während Kaiser Franz im Stift logierte. Drei Tage und drei Nächte dauerte der Durchmarsch der Truppen durch die Stadt.

Kaiser Franz II./I. (StAZ, Sign. BA 02/Box1/8)

Kaiser Franz II./I.
(StAZ, Sign. BA 02/Box1/8)

Nach dem Waffenstillstand von Znaim rückte ein französisches Armeekorps unter Marschall Marmont in das Waldviertel ein. Diese etwa 30.000 Mann starke Truppe war in Dalmatien stationiert gewesen und von dort in Eilmärschen herangerückt. Sie befand sich in einem denkbar schlechten Zustand und Napoleon selbst soll Marmont angewiesen haben, die Gelegenheit der Stationierung im besiegten Österreich dazu zu nützen, die Truppe sich erholen, neu formieren und frische Kräfte sammeln zu lassen. Marschall Marmont bezog zwischen Rohrendorf und Theiß sein Lager, auch Oberst Maucun, der zum Gouverneur für das Viertel ober dem Manhartsberg ernannt worden war, verwaltete von hier aus das Waldviertel. Die Marmont’sche Kavallerie überwachte das gesamte Viertel bis zur böhmisch-oberösterreichischen Grenze und stellte so die Versorgung für das Korps sicher.
Der Marschall teilte seine Verpflegungs- und Ausrüstungswünsche einfach dem Kreisamt in Krems mit, das nun seinerseits die einzelnen Grundherrschaften mit der Beschaffung der Güter beauftragte. Die Herrschaften waren für die pünktliche und vollständige Aufbringung der Waren und deren Transport - unter Androhung militärischer Exekution - verantwortlich. Jeder Widerstand gegen die Kontributionen und Requirierungen wurde mit äußerster Brutalität niedergeschlagen. Lebensmittel, Kleidungsstücke, Pferde, Vieh, Futter usw. mussten auf Befehl abgeliefert werden. Die Hausbesitzer waren überdies, wie bereits erwähnt, für die Verpflegung der bei ihnen einquartierten Soldaten verantwortlich, und die waren meist nicht gerade bescheiden. So verlangten etwa die Besatzer in Rastenfeld zum Frühstück Suppe, Eier und Schmalz, einen Laib Brot und ein halbes Maß Wein pro Mann. Zu Mittag wünschten sie Suppe, Rindfleisch mit Beilage, dann Braten und ein Maß Wein. Die Jause glich dem Frühstück, das Abendessen dem Mittagmahl, jedoch ohne Rindfleisch.
Übergriffe und Gewaltanwendung waren an der Tagesordnung. Dabei fürchtete die Zivilbevölkerung nicht so sehr die Franzosen selbst, sondern viel mehr deren Verbündete, etwa die Württemberger und Elsässer.
Nach dem Frieden von Schönbrunn (15. Oktober 1809) zog das Korps Mormont ab, und das Lager nahe Krems wurde aufgelassen. Nun rückte aber das Korps des Marschalls Massena mit vier Divisionen ins Waldviertel ein. Eine dieser Divisionen bezog in Zwettl Quartier und blieb hier bis Dezember.

Marschall Massena (StAZ, Sign. BA 02/Box1/8)

Marschall Massena
(StAZ, Sign. BA 02/Box1/8)

Aus dem Dorf Gradnitz ist ein kleines Dokument erhalten, in dem die Geld- und Naturalleistungen der Bevölkerung für die französische Besatzungsmacht verzeichnet sind. Demnach mussten die Gradnitzer ab August an ihre Herrschaft (das Stift Zwettl) vor allem Geld und Leinen für die Franzosen liefern, ab Oktober Getreide, Heu, Ochsen, Kopf- und Tuchgeld sowie Stroh und Holz für das Militärlager in Zwettl.

Aufzeichnung der Bewohner von Gradnitz über die Höhe der Quartierkosten im Jahr 1809 (StAZ, Kart. 22)

Aufzeichnung der Bewohner von Gradnitz über die Höhe der Quartierkosten im Jahr 1809
(StAZ, Kart. 22)

Von 2. November bis 18. Dezember waren dann in dem kleinen Dorf (25 Häuser mit rund 150 Einwohnern) selbst 45 Soldaten einquartiert, die verköstigt werden mussten, was pro Mann und Tag fast 3 Gulden ausmachte. Überdies lag in Oberstrahlbach ein französischer Offizier im Quartier, dessen Unterhalt die Gradnitzer (zum Teil ?) bestreiten mussten. Sie lieferten dorthin durchschnittlich jeden zweiten Tag 6 bis 8 Pfund Rind- und Schaffleisch, 1 Pfund Zucker, 3 Maß Wein, Brot, Käse, Hühner oder Fisch, gelegentlich Schnaps oder Likör und Kerzen. Die Gradnitzer errechneten, dass ihnen die französische Einquartierung in Summe 10.530 Gulden gekostet hatte. Außerdem mussten einige von ihnen bei der Herrschaft ein Darlehen aufnehmen, um die geforderten Abgaben überhaupt bestreiten zu können. Ob die Bauern von Gradnitz mit der vorliegenden Aufstellung ihrer Besatzungskosten Erfolg hatten, ob ihnen also der durch den Krieg entstandene Schaden (vielleicht auch nur zum Teil) ersetzt wurde, lässt sich wohl nicht mehr feststellen, ist aber höchst fraglich.

Vorschrift über die Verpflegung der französischen Truppen Circulare des Kreisamts Krems vom 5. November 1809

Vorschrift über die Verpflegung der französischen Truppen
Circulare des Kreisamts Krems vom 5. November 1809

Nachdem die französischen Soldaten im Dezember Zwettl bereits verlassen hatten, kam ein großer Trupp von Flüchtlingen, Deserteuren und Nachzüglern der französischen Armee in die Stadt und verlangte von den Zwettlern 3000 Gulden Brandschatzung. Die Bürger wandten sich in ihrer bedrängten Lage an den im Stift noch anwesenden General der Grande Armee und baten ihn um Hilfe. Dieser eilte unverzüglich in die Stadt, und die Freibeuter ergriffen die Flucht.

Friedel Moll, Juni 2004

Literatur:
Karl Gutkas, Geschichte des Landes Niederösterreich 3 (St. Pölten 1959).

Rudolf Haindorfer, Die Franzosen in Zöbing, in: Das Waldviertel 2/1932 (Waidhofen/Th. 1932) S 27-29. [http://www.daswaldviertel.at/]

Hans Hakala, Franzosen im Quartier, in: Hans Hakala/Walter Pongratz, Zwettl-NÖ I. Die Kuenringerstadt (Zwettl 1980) S 77 f.

Max Mauritz, Arbesbach im Kriegsjahr 1809, in: Heimatkundliche Nachrichten, Beiblatt zum Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Zwettl. 8/1993, 9/1993 (Zwettl 1993) S 31 f; S 33 f.

Rudolf Riedel, Das Franzosenjahr 1906 [recte 1809] im Waldviertel, in: Das Waldviertel 10/12 1966 (Krems 1966) S 295-299. [http://www.daswaldviertel.at/]

Josef Traxler, Geschichte der Stadt, in: Zwettl 1896. Festschrift aus Anlass der Eröffnung der Localbahn Schwarzenau-Zwettl und zur Feier der Jubiläen der Sparcasse und der Volks- und Bürgerschule Zwettl (Zwettl 1896), S 19 f.

Quellen:
Geschichte der landesfürstlichen Stadt Zwettl, vermutlich verfasst von Andreas Steininger (1. Hälfte des 19. Jahrhundert).

Geschichte (Chronik) von Zwettl, verfasst von Josef Weigelsperger/Franz Haunsteiner (vor 1877). Stadtarchiv Zwettl, Kart. 22: Aufzeichnungen der Bürger von Gradnitz über die Kosten der französischen Einquartierung 1809.