In der am 29. August 1679 in Zwettler Rathaus abgehaltenen Ratssitzung berichtete der Stadtrichter Johann Georg Fux, dass in Wien wieder die Pest ausgebrochen sei und aus diesem Grund alle benachbarten Orte den Wachdienst verschärft hätten „... wegen der laider zu Wienn grassierenden contagion, scharpffe wachten gehalten werden...“. Daraufhin beschlossen der ehrsame Rat und die Bürgerschaft, dass in Zwettl ab sofort bei jedem Stadttor zwei und an der Pforte bei der Tuchwalke (am unteren Ende der heutigen Kuenringerstraße) ein Bürger wachen sollten. Dieser verstärkte Wachdienst nützte aber nichts. Die Pest kam auch nach Zwettl und forderte ihre Opfer. Die Toten wurden außerhalb der Stadt, wahrscheinlich am Weißen Berg auf der „Gstetten“ begraben. Der Rat stellte zu diesem Zweck am 1. November 1679 eigens zwei Totengräber an, nämlich den Bernhard Mayr (er wohnte im heutigen Haus Wasserleitungsstraße 8) und den Leopold Resch. Man versprach ihnen guten Lohn, so sollten sie gemeinsam pro Woche einen Reichstaler (pro Person also einen Gulden) und für jeden Toten zusätzlich einen Gulden bekommen. Dieses Geld wurde entweder aus der Verlassenschaft der Verstorbenen oder, wenn das nicht möglich war, aus der Gemeindekassa aufgebracht. Die beiden Totengräber durften aber während der gesamten Pestzeit die Stadt nicht betreten „ ... wan auch kein mensch mehr an besagter krankhheit sterben [...] sie widerumb in die statt derffen, undt Ihre contumaciam würkhlich vollbracht haben...“. Das Totenbuch der Pfarre Zwettl enthält keine näheren Angaben zu dieser Pestepidemie. Zwischen dem 29. Oktober und dem 5. Dezember 1679 sind nämlich keine Sterbefälle vermerkt, im Buch findet sich vielmehr folgender Satz: „Hoc tempore pestis, idcirco nemo inscripto“ („In dieser Zeit war die Pest, daher ist niemand eingetragen“). Das Ratsprotokoll jener Zeit gibt aber immerhin an, dass zwischen 15. Oktober und 6. Dezember in und vor der Stadt 41 Personen an der Pest gestorben sind.
Pfarrarchiv Zwettl, Sign. 3/2, fol. 115
Bürger und Rat sahen in dieser Seuche einen Fingerzeig, ja eine Strafe Gottes und man beschloss, die vor 30 Jahren gelobte jährliche Prozession nach Siebenlinden wieder aufzunehmen. Dort stand zu jener Zeit noch die dem hl. Sebastian geweihte, ehemalige Burgkapelle, die nach 1782 abgetragen wurde. Die barocke Statue des Pestheiligen Sebastian befindet sich heute noch in der Pfarrkirche von Siebenlinden.
Statue des hl. Sebastian in der Pfarrkirche Siebenlinden
Foto: W. Fröhlich, Zwettl; StAZ, Sign. BA 05/6/12
Sofort nach diesem Beschluss, nun wieder regelmäßig nach Siebenlinden zu ziehen, wurden in Zwettl neue Fahnen für die Pestheiligen Sebastian, Rochus und Rosalia angefertigt und „... alß man nun den 8. December darauff alß am tag der unbefleckhten empfengnus der allerseeligisten Jungfrauen undt Muetter Gottes Maria, daß hochwürdige sacrament in einer procession durch die statt herumb undt den neu auffgerichten fahn vorangetragen hat, ist von stundt an der gerechte zorn Gottes gestilt, undt weder in noch vor der statt in geringsten von keiner contagiosischen [ansteckenden] oder andern erblichen krankhheit nichts mehr verspührt worden, damit Gott der Allmechtige solches nun langwürig continuiern, undt die statt vor dißen ellendt gnediglich behüetten wolle, alß werden alle jezt lebendte, alß auch hernach kommendte herrn undt burger alhiesiger statt, Ihnen eufferigst angelegen sein lassen, die verlobte procession nacher Sübenlinden jährlichen am Er- oder Dienstag [Erchtag = alte Bezeichnung für Dienstag] vor dem sontag Jubilate [Jubilate = 3. Sonntag nach Ostern], mit hindansezung aller anderer geschäfften fortzupflanzen.“
Am 2. Dezember, also noch während der Pestepidemie, kam es zwischen dem „Infections Todtengraber“ Leopold Resch und dem Hans Zwölfer, Bürger in der Vorstadt (heute: Syrnauer Straße 21) zu einer tätlichen Auseinandersetzung wegen einer geringen Menge Gerste. Der Totengräber wurde bei diesem Raufhandel verletzt und starb drei Tage später. Als Todesursache stellte man allerdings die Pest fest. Den Hans Zwölfer sperrte der Rat dennoch in den Passauer Turm. Dort konnte man ihn aber wegen der extremen Kälte, die damals herrschte, nicht lange verwahrt halten. Letztlich verurteilte ihn das Gericht im Februar 1680 zu einer Geldstrafe von 5 Gulden. Ebensoviel musste er als Buße an die Witwe des Leopold Resch zahlen.
Noch im Jänner 1680 bestellte der Rat den Georg Schenn als Totengräber für den Bauernfriedhof (Syrnauer Friedhof). Allerdings unter der Bedingung, dass er für den Fall „welches Gott gnedig verhüetten woll, widerumb die contagion [Pest] einreissen mechte, er sich für ein Infections todtengraber exponieren wollte“.
Die Pestgefahr schien noch nicht gebannt, denn das ganze Jahr 1680 über rief der Rat die Bürger immer wieder auf, bei den Toren besonders wachsam zu sein und den Wachdienst keinesfalls durch Buben verrichten zu lassen. Es sollte vielmehr jeder Bürger den ihm zugeteilten Dienst gewissenhaft selbst verrichten. Vor dem Pfingstmarkt schärfte der Stadtrichter der Bürgerschaft ein, ja keine Bewohner von Ortschaften einzulassen, in denen die Pest grassierte und besonderes Augenmerk auf die Bettelleute zu richten. Auch diese sollten der Stadt fernbleiben. Da noch im Herbst 1680 aus verschiedenen Orten der Umgebung, darunter auch aus Waidhofen an der Thaya, Pestfälle gemeldet wurden, beschloss der Rat der Stadt Zwettl, keine Viehmärkte abzuhalten. An den gewöhnlichen Wochenmärkten, auf denen Getreide, andere Feldfrüchte und Schmalz aus der nahen Umgebung verkauft wurden, hielt man aber fest.
Das Felthoferkreuz an der Weitraer Straße
Foto: W. Fröhlich, Zwettl; StAZ, Sign. BA 03/F
Wahrscheinlich aus Dank dafür, dass er das Pestjahr 1679 glücklich überstanden hatte, ließ der Zwettler Ratsbürger und Tuchmacher Simon Felthofer an der Weitraer Straße eine Steinsäule errichten, das Felthoferkreuz. Es trägt die Bilder der Pestheiligen Sebastian und Rochus und ein Relief des Gekreuzigten mit den Initialen SF und MF (wahrscheinlich Simon und Maria Felthofer). In der Nische auf der vierten Seite findet sich folgende Inschrift: DISES CREVTZ HAT MACHEN LASEN HERR SIMAN FELTHOFFER BVRGER V DVCHMACHER IN ZWETL. GOTT ZV EINER DANCHSAGVNG FIR ALE GABE V SEGEN V V VERZEICHVNG DER SINDEN. 1681.
F. Moll, August 2004
Literatur:
Hans Hakala, Der Schwarze Tod, in: Walter Pongratz/Hans Hakala, Zwettl Niederösterreich 1, Die Kuenringerstadt (Zwettl 1980) 67-69.
Friedel Moll/Werner Fröhlich, Zwettler Stadtgeschichte(n). Alltagsleben in vergangener Zeit 1 (Budapest 2000) 85 f. [http://www.buch-schulmeister.at/]
Quellen:
Pfarrarchiv Zwettl, Totenmatriken, Sign. 2/3, fol. 115.
Stadtarchiv Zwettl, Ratsprotokolle, Sign. 2/12, fol. 32v, 34-35v, 39-41v