Vom Mittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in Zwettl kaum Abwasserkanäle. Statt dessen bestand nahezu bei jedem Haus eine Senkgrube, in die man Fäkalien und Jauche einleitete, gehörten doch zu fast jedem Haus auch im Stadtzentrum Stallungen, in denen Pferde, Rinder, Schweine und Schafe gehalten wurden. Die Klosettanlagen, im 17. und 18. Jahrhundert häufig „haimblicher Ort“ oder „Gehaimblichkeit“ genannt, waren Plumpsklos, die sich meist im Hof hinter dem Haus beim Misthaufen über der Senkgrube befanden. Diese Senkgruben musste man von Zeit zu Zeit leeren. Eine Arbeit, die das Gesinde zu besorgen hatte, manchmal aber auch Taglöhner, die dafür recht gut bezahlt werden mussten. Nur die Bewohner jener Häuser, die unmittelbar an der Stadtmauer gelegen waren, konnten Abwässer und Fäkalien direkt ins Freie vor die Stadtmauer leiten. Heute ist an der Außenwand des Hofbauerturms an der Promenade noch ein kleiner Erker zu sehen, in dem sich früher ein Freifall-Klosett befand. Manchmal floss die Jauche aus den Ställen aber einfach direkt auf die Straße, wohin man üblicherweise auch das Regenwasser ableitete.
Diese Art der Abwasserentsorgung brachte selbstverständlich erhebliche Geruchsbelästigungen mit sich und führte immer wieder zu Streitigkeiten unter den Stadtbewohnern, wie man den Rats- und Gerichtsprotokollen früherer Zeit entnehmen kann. Selbstverständlich waren diese schlechten hygienischen Verhältnisse immer wieder für den Ausbruch von Krankheiten und Seuchen verantwortlich.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert begann man in Zwettl in der Mitte der wichtigsten Straßen Rinnen zur Ableitung des Oberflächenwassers, entlang der Häuser Gehsteige und ab und zu Übergänge von einer Straßenseite zur anderen aus Pflastersteinen anzulegen. Wenige Jahrzehnte später drängten die Behörden, allen voran die neu geschaffene Bezirkshauptmannschaft, ebenso wie die Gemeindeverwaltung selbst, vermehrt auf die Reinhaltung der Straßen und Plätze. Man schlug die Errichtung von Kanälen zur Abwasserbeseitigung vor. Im März 1870 beauftragte das Bürgermeisteramt Zwettl den heimischen Baumeister Anton Gareis, in der gesamten Landstraße vom Oberen Tor bis zur Einmündung in den Kamp einen unterirdischen Kanal anzulegen. Nach und nach wurden alle Straßenzüge und Plätze mit Kanälen versehen, und jedes Haus erhielt einen eigenen Anschluss. Die Abwässer flossen nun zwar unterirdisch, aber ungereinigt und unbehandelt in den Kamp.
1966 errichtete die Gemeinde um drei Millionen Schilling eine Zentralkläranlage am Kampufer an der Gartenstraße, nahe dem damals dort bestehenden Krankenhaus. Es handelte sich dabei um einen sogenannten „Emscherbrunnen“, der die Abwässer nur mechanisch reinigte.
Durch die rege Bautätigkeit (1961 wurden 718 Häuser, bei der Volkszählung 1981 bereits 1177 Gebäude mit insgesamt 1516 Haushalten gezählt) war nicht nur das alte Kanalnetz total überlastet, es wurden auch in der alten Kläranlage nur mehr die Grobstoffe ausgeschieden, die Kläranlage entsprach somit maximal der ersten Reinigungsstufe einer modernen Kläranlage.
Durch die unzureichend geklärten Abwassereinleitungen wurde die Gewässergüte des Großen Kamp von Güteklasse I-II auf Güteklasse III verschlechtert. Zusätzlich zu den Nährstoffabschwemmungen von Wirtschafts- und Kunstdüngern aus den landwirtschaftlich genutzten Gebieten belasteten noch die kommunalen und gewerblichen Einleitungen (insbesonders Brauerei-, Brennerei-, Molkerei-, Fleischhauerei-, Textilbetriebs- und Krankenhausabwässer) den Kamp im Stadtbereich von Zwettl.
In Anbetracht all dieser Umstände entschloss sich die Gemeinde im Jahr 1975 zum Neubau einer zentralen Kläranlage und gab die diesbezügliche Planung in Auftrag. Das Projekt wurde 1976 bei der Wasserrechtsbehörde eingereicht, die endgültige wasserrechtliche Bewilligung wurde jedoch infolge von Einsprüchen erst am 25. Jänner 1980 erteilt. Bedingt durch diesen langen Zeitraum musste nun das Projekt nochmals überarbeitet werden.
Hiezu wurde das Wiener Zivilingenieurbüro Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Werner Lengyel mit der Planung und Bauüberwachung betraut. Zunächst mussten die Abwasserkanäle im gesamten Stadtgebiet erneuert, größer dimensioniert und bedeutend erweitert werden. Am 16. Dezember 1981 begann man mit diesen Arbeiten, die bis 31. Dezember 1991 fertigzustellen waren.
Mit dem Bau der neuen Kläranlage (ausgerichtet auf 20.000 Einwohnergleichwerte = EGW) wurde am 28. Mai 1984 begonnen. Die Inbetriebnahme der mechanischen Stufe erfolgte im Mai, die der biologischen Stufe im August 1986. Am 23. Mai 1987 fand im Rahmen einer kleinen Feier die offizielle Eröffnung durch Landeshauptmann Siegfried Ludwig und Bürgermeister Ewald Biegelbauer statt. Der ressortverantwortliche Stadtrat war Dipl.-Ing. Ewald Schwarz. Die Segnung der neuen Anlage nahm Stadtpfarrer Franz Josef Kaiser vor.
In den folgenden Jahren wurde die Kläranlage der Stadt Zwettl immer wieder erweitert, verbessert und modernisiert. Nach und nach entstanden auch in den Katastralgemeinden Kläranlagen, die zum Teil von der Gemeinde, zum Teil aber auch durch Genossenschaften errichtet wurden und betrieben werden.
Mit November 2015 bestehen im Gemeindegebiet von Zwettl 28 Abwasserbeseitigungsanlagen.
Von der Gemeinde betrieben: Böhmhöf, Friedersbach (mit Eschabruck und Oberwaltenreith), Großglobnitz, Jagenbach (mit Purken), Kleinmeinharts, Niederneustift, Rosenau Dorf, Rudmanns (mit Waldrandsiedlung), Rieggers, Wolfsberg, Zwettl Stadt (mit Moidrams und Stift Zwettl)
Von privaten Genossenschaften betrieben:
Kleinschönau-Kleehof, Marbach am Walde (mit Rottenbach, Uttissenbach, Kleinmarbach und Hörweix), Mitterreith, Ober- und Niederstrahlbach, Schloß Rosenau, Gschwendt, Kleinotten (mit Mayerhöfen und Niederglobnitz), Jahrings (mit Waldhams und Syrafeld), Gerotten, Gradnitz, Großhaslau, Unterrabenthan, Merzenstein, Germanns (mit Hörmanns), Annatsberg, Guttenbrunn, Ratschenhof (mit Koblhof und Schleifgraben)
F.M. 11/2015
Quellen und Literatur
Hans Hakala / Walter Pongratz, Zwettl-NÖ I. Die Kuenringerstadt (Zwettl 1980) S 167.
Stadtgemeinde Zwettl-NÖ (Hg.), Vollbiologische Kläranlage der Stadtgemeinde Zwettl-NÖ (Zwettl o.J. (1986).
Ewald Schwarz / Wolfgang Meyer, Die Entwicklung der öffentlichen Dienstleistungen. In: Franz Pruckner (Red.), Stadtgemeinde Zwettl-NÖ. 25 Jahre Großgemeinde. Festschrift anläßlich des 25jährigen Bestehens der Stadtgemeinde Zwettl-NÖ nach der Gemeindevereinigung im Jahre 1971 (Zwettl o.J. (1996) S 61-63.
Herbert Prinz (Hg.), Stadtgemeinde Zwettl-Niederösterreich. 40 Jahre Großgemeinde (Zwettl 2011) S 23 f.