Eduard Schidloff

Am 20. Juli 1863 wurde Eduard Schidloff als drittes Kind von Samuel und Julie Schidloff in Zwettl geboren. Die Eltern waren von Staré Město, einem Dorf in Böhmen nahe der österreichischen Grenze, nach Zwettl gekommen. Samuel Schidloff betrieb hier einen Branntweinhandel, später auch eine Limonaden- und Sodawassererzeugung. Er erwarb nach und nach die Häuser Kaiser-Franz-Josef-Platz 17 und 3, heute Sparkassenplatz 2 und 3.

Nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1903 erbte Eduard das Haus Sparkassenplatz 2.[1] Über seine berufliche Tätigkeit, inwieweit er in der familieneigenen Firma mitarbeitete und an ihr beteiligt war, ist nichts bekannt. Eduard blieb sein Leben lang Junggeselle. Er wird als glänzender Gesellschafter und ausgezeichneter Sänger beschrieben. Mit seinem Tenor war er eine Stütze des Zwettler Männergesangsvereins und bildete gemeinsam mit den Lehrern Franz Hirsch und Johann Katzenschlager sowie mit dem Bürgermeister und Wachszieher Franz Beydi durch viele Jahre das Quartett dieses Vereins. Bei zahlreichen Konzerten sang er Solopartien, und wirkte auch in der Vereinsleitung mit. 1902 wurde er mit dem Goldenen Ehrenring des Männer-Gesangsvereines Zwettl ausgezeichnet.[2]

Ab 1926 vermietete er das Erdgeschoß seines Hauses an Paul Klein, der hier sein Bekleidungsgeschäft unterbrachte. Nach dem „Anschluss“ vom März 1938 mussten in dem Haus, das nunmehr die Nummer Adolf-Hitler-Platz 17 trug, auch Eduards Verwandte Robert, Emma und Elisabeth Schidloff sowie die Familie des Rechtsanwaltes Dr. Philipp Fränkel unterkommen.

Eduard Schidloff war zu dieser Zeit 74 Jahre alt und nahezu blind. In seiner für Juden verpflichtend vorgeschriebenen Vermögensanmeldung gab er an, seit 1930 vom Bundesministerium für Soziale Verwaltung eine Monatsrente von 60 Schilling zu beziehen, was pro Jahr umgerechnet 480 RM entsprach. Einen Teil seines Hauses hatte er vermietet, das brachte ihm bis zur Stilllegung des Geschäftes von Familie Klein monatlich rund 97 RM. Er besaß einige wenige Wertpapiere aus den 1920er-Jahren, die faktisch wertlos waren, kaum Bargeld, ein paar Ringe, Manschettenknöpfe und Dosen etc. aus Edelmetall sowie eine Sammlung von rund 100 Stück Spazierstöcken mit verzierten Knäufen. Sein Haus war mit vier Hypotheken in der Höhe von insgesamt 4.000 RM belastet.[3] 

Die Stocksammlung erwarb das Museum der Stadt Zwettl im Juni 1938 um 166,67 RM.[4] Interesse an dem Haus bekundete die Sparkasse der Stadt Zwettl, besaß sie doch bereits seit Jahren das unmittelbar angrenzende Haus Adolf-Hitler-Platz 1 (heute Sparkassenplatz 1). Eduard Schidloff hatte Rechtsanwalt Dr. Franz Beydi bevollmächtigt, den Verkauf abzuwickeln, und am 9. Dezember 1938 wurde der Kaufvertrag mit der Sparkasse[5] unterzeichnet. Die Kaufsumme belief sich auf 16.096 RM, von der 4.191,50 RM für die aushaftenden Hypotheken abgezogen wurden. Die restlichen 11.904,50 RM überwies die Bank auf Konto 136, lautend auf Eduard Israel Schidloff, das zugleich mit dem Vermerk „Entjudungserlös“ versehen wurde und auf welches - wie üblich - nur mit Genehmigung der Vermögensverkehrsstelle zugegriffen werden konnte. Die Übergabe des Hauses war mit 1. Jänner 1939 vereinbart. Die Familie durfte es aber noch bis 1. April 1939 dieses Jahres bewohnen.

Am 20. März 1939 stellte die Stadtgemeinde für Eduard, Robert und Emma Schidloff Leumundszeugnisse aus, und am 23. übersiedelte die Familie mit der zehnjährigen Tochter Elisabeth nach Wien IX, in die Hahngasse 22, zu Familie Blum.[6] Mit Sicherheit handelte es sich hierbei um ein Massenquartier, in dem mehrere jüdische Familien auf engstem Raum unter ghettoartigen Verhältnissen unterkommen mussten.

Eduard, Emma, Elisabeth und Robert Schidloff wurden am 22. Juli 1942 (mit dem fünften Transport) in das KZ Theresienstadt[7] gebracht.[8] Sie hatten die Transportnummern 81, 342 und 344. Die Transportnummer von Robert Schidloff wird nicht ausdrücklich genannt. Eduard Schidloff wurde im KZ Theresienstadt am 20. September 1942 im 80. Lebensjahr ermordet.


[1] Bezirksgericht (BG) Zwettl, Grundbuch (GB) Stadt Zwettl 1, EZ 5.

[2] Rudolf Wagner, Männer-Gesangsverein Zwettl, 1862-1912. Festschrift (Zwettl 1912) S. 19, 20, 28.

[3] Landesarchiv (NÖLA), RStH ND, IVd-8, Vermögensanmeldung von Eduard Schidloff, Zwettl.

[4] NÖLA, Vermögens- und Rückstellungsakten (NÖL Reg. L. A. IX/5), Eduard Schidloff, Akt IX/5, 1050, Schreiben des Museumsvereinsobmanns Josef Traxler vom 19. Mai 1938 an die Vermögensverkehrsstelle.

[5] Nach dem Staatsvertrag von 1955 musste sich auch die Sparkasse der Stadt Zwettl mehreren gesetzlich vorgeschriebenen Rückstellungs- und Wiedergutmachungsverfahren unterziehen, durch welche Entschädigungszahlungen an während der NS-Zeit verfolgte und beraubte Personen finanziert wurden. Zuletzt leistete die Bank im Jahr 2005 nochmals eine Zahlung von 48.652,13 Euro an den NS-Entschädigungsfonds der Republik.

[6] Stadtarchiv Zwettl (StAZ), Einreichungsprotokolle, Sign. 3/128, Nr. 3/67, 3/68 und 3/69 bzw. Standesamt Zwettl, Heimatrollen Sch 14 und Sch 15.

[7] Theresienstadt, die Ende des 18. Jahrhunderts von Kaiser Josef II. gegründete Garnisonsstadt, war während der Zeit des Nationalsozialismus Gefängnis und Ghetto. Nordwestlich von Prag gelegen, diente die kleine Festung als Gestapogefängnis, während in der großen Festung ein Ghetto für 140.000 Jüdinnen und Juden eingerichtet wurde, die meist aus Böhmen und Mähren, aber auch aus dem „Deutschen Reich“, Österreich, den Niederlanden und Dänemark stammten. Das Ghetto unterstand der Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Prag und diese wiederum dem Reichssicherheitshauptamt (RSHA). Bewacht von tschechischen Gendarmen, wurde das Ghetto von der SS verwaltet und von den Österreichern Siegfried Seidl (November 1941–Juli 1943), Anton Burger (Juli 1943–Februar 1944) und Karl Rahm (Februar 1944–Mai 1945) geleitet.

Die Menschen im Ghetto lebten in der ständigen Angst vor der Deportation in eines der Vernichtungszentren Treblinka, Auschwitz und Maly Trostinec. Gleichzeitig waren die Lebens- und Arbeitsbedingungen denkbar schlecht.

Für den größten Teil der Menschen, die in das Ghetto Theresienstadt deportiert wurden, war das Ghetto, so sie nicht an den furchtbaren Lebensbedingungen zugrunde gingen, nur eine Durchgangsstation auf dem Weg in die Vernichtungslager.

[8] Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wien, schriftliche Mitteilung vom 21. August 1987 bzw. 26. Juli 1994 an den Verfasser; WStLA, Meldeauskunft vom 25. August 1987. Der Meldezettel der Familie Schidloff trägt den Vermerk „Theresienstadt mit Gattin und Kind“.


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