Josef Zimmer

Spätestens seit 1924 lebte Josef Zimmer in Uttissenbach Nr. 9, in der Gemeinde Marbach am Walde und war dort zunächst als Eierhändler tätig. Er kam am 25. Mai 1883 in Tarnogród, Bezirk Biłgoraj, Wojwodschaft Lublin in Polen als Sohn von Abraham Zimmer (möglicherweise auch Cimer oder Cymer) und dessen Gattin Chula, geborene Buchholz, zur Welt und hielt sich seit 1914 in Österreich auf. Er war geschieden, hatte einen Sohn namens Max und bekannte sich zur mosaischen Religion.[1]

Am 11. November 1924 kaufte er gemeinsam mit Anna Schertler, mit der er in Uttissenbach gewohnt hatte, das Haus Rottenbach Nr. 10 um 15 Millionen Kronen.[2] Hier war er in der Folge als Obst-, Gemüse- und Gemischtwarenhändler tätig. Ende 1937 oder Anfang 1938 verlegte er sein Geschäft nach Marbach am Walde Nr. 27, wo er einen unbeschränkten Gemischtwaren- bzw. Landesproduktenhandel betrieb.[3] Daneben hatte er auch den Gewerbeschein für Lastentransporte, denn er war im Besitz eines Lastkraftwagens der Marke Steyr XII.[4] Josef Zimmer war vor allem bei der Dorfjugend recht beliebt, weil er den Kindern gelegentlich Obst schenkte.

Josef Zimmer wurde am 20. März 1938 vom SA-Sturm Kirchbach unter seinem Führer Erwin Schenk wegen angeblicher Aufhetzung von Bauern festgenommen und, wie man sich in Marbach erzählt, auf seinem eigenen Lastkraftwagen durch den Ort geführt und als „Geldjude“ zur Schau gestellt. Die SA konfiszierte dann auch gleich das Auto und übergab es im Juni an die Führung der SA Gruppe „Ostmark“ in Wien. Allerdings war es zu diesem Zeitpunkt bereits beschädigt und nur mehr bedingt fahrtauglich.[5]

Zimmer wurde von der SA der Bezirkshauptmannschaft Zwettl zur Abschiebung übergeben, zunächst aber im örtlichen Bezirksgefängnis inhaftiert. Man warf ihm vor, als Eierhändler in der bäuerlichen Bevölkerung kommunistische Propaganda betrieben zu haben. Josef Zimmer wies diese Anschuldigung als falsch und haltlos zurück, was aber an seiner Lage nichts änderte. Die Kreisleitung der NSDAP Zwettl sprach sich vielmehr am 28. März in einem Bericht an die Gestapo Außenstelle in St. Pölten gegen eine Enthaftung Zimmers aus, da er in seinem Beruf leicht weiterhin staatsfeindliche Propaganda betreiben könne.[6] In den Akten des Gendarmeriepostens Kirchbach und der Bezirkshauptmannschaft gibt man übrigens an, dass Josef Zimmer richtigerweise Cimer oder Cymer hieß, was mit dessen eigenen Angaben und allen übrigen greifbaren Dokumenten aber nicht übereinstimmt.

Ohne Zweifel noch während seiner Haft, am 29. März 1938, verkaufte Josef Zimmer das Haus Rottenbach 10 an seine Haushälterin (Lebensgefährtin?) Anna Schertler, mit der er in diesem Haus gewohnt hatte und dessen Mitbesitzerin sie bis 1925 gewesen war. Der Kaufpreis betrug 1.500 Schilling. Von diesem Betrag wurde noch der Lohn für die Haushaltsführung, welcher laut Kaufvertrag in den letzten drei Jahren nicht ausbezahlt worden war, in Abzug gebracht, sodass Anna Schertler letztlich für das gesamte Haus einschließlich der Gartenparzelle nur 300 Schilling[7] bezahlte. Vertragskosten und Gerichtsgebühren gingen zu ihren Lasten.[8] Damit war der Besitz „arisiert“.

Ab 16. April befand sich Josef Zimmer in Gewahrsam der Bundespolizeidirektion Wien und wurde von dieser am 21. April in die Tschechoslowakei abgeschoben.[9] Am 23. Juni nahm er von Brünn aus Kontakt mit der Auswanderungsabteilung der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien auf. Er ließ sich als Auswanderungswilliger registrieren und füllte einen entsprechenden Fragebogen aus. Darin gab er an, in die USA emigrieren zu wollen, da seine Schwester Tessie, ein Freund und ein weiterer Verwandter in New York lebten. Zimmer besaß zu jener Zeit einen Pass für Staatenlose, der von der Liga für Menschenrechte in der Tschechoslowakei ausgestellt worden war und bis 1939 galt.[10] Das weitere Schicksal Josef Zimmers ist unbekannt.


[1] Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2589,85; NÖLA, BH Zwettl, Kart. 215, Gr. XI, 153, handschriftliche Notiz auf einem Schreiben der Stapo Außenstelle Wr. Neustadt vom 23. 3. 1938.

[2] Bezirksgericht (BG) Zwettl, Grundbuch (GB) Rottenbach, EZ 8; bzw. Urkundensammlung 1924, Zl. 607/24.

[3] Amtsblatt der Bezirkshauptmannschaft Zwettl, Nr. 9, vom 3. März 1938, S 17.

[4] Landesarchiv (NÖLA), BH Zwettl, Gr. X/137-1938, Stammzahl 307, Beschlagnahmung von Kraftfahrzeugen.

[5] NÖLA, BH Zwettl, Gr. X/137-1938, Karton 213, Stammzahl 307, Beschlagnahme von jüdischen Fahrzeugen.

[6] NÖLA, BH Zwettl, Kart. 215, Gr. XI, 153, Bericht des Gendarmeriepostens Rappottenstein vom 28. März 1938; Schreiben bzw. handschriftliche Notiz der BH Zwettl vom 28. März 1938.

[7] 1 Schilling des Jahres 1938 entspricht kaufkraftmäßig € 7,04 im April 2009 (= freundliche Mitteilung. von Herrn Walter Kern, Statistik Austria, vom 19. Mai 2009).

[8] BG Zwettl, GB Rottenbach EZ 9; sowie Urkundensammlung, 1938, Nr. 326/38.

[9] Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA), Historische Meldeunterlagen, Haftzettel der Bundespolizeidirektion Wien vom 16. April 1938 für Josef Zimmer; Auskunft vom 28. Mai 2009 an den Verfasser.

[10] Archiv der IKG Wien, Bestand Jerusalem, A/W 2589,85.


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