Judenverfolgung während der NS-Zeit

Unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 begann auch für die damals in Zwettl und Umgebung ansässigen Juden die Verfolgung.

Dr. Alexander Fischhof, Großglobnitz
Dr. Fisch(h)of (geb. 1900) war seit 1936 Tierarzt in Großglobnitz, wo er bei der Bevölkerung sehr beliebt und hoch geschätzt war. Nach dem „Anschluss“ von 1938 wurde ihm die Ausübung seiner tierärztlichen Praxis verboten, weil er Jude war. Im August 1939 übersiedelten Dr. Alexander Fischhof und Gattin Frieda nach Wien. Wahrscheinlich ist es nur der Liebe und der Fürsorge von Frieda Fischhof (einer „Arierin“) zu danken, dass Alexander Fischhof diese furchtbare Zeit überlebte. Wie durch ein Wunder entging er allen Deportationen und nahm im Juni 1945 seine Tätigkeit als Amtstierarzt bei der Gemeinde Wien auf. Dr. Alexander Fischhof verstarb am 8. Juli 1978.

Dr. Alexander Fischhof (1900-1978) Quelle: Archiv der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs

Dr. Alexander Fischhof (1900-1978)
Quelle: Archiv der Bundeskammer der Tierärzte Österreichs

Familie Dr. Philipp Fränkel, Zwettl
Dr. Philipp Fränkel betrieb in Zwettl (Hamerlingstraße 4) eine Anwaltskanzlei. Am 16. Februar 1939 musste die Familie (Dr. Philipp Fränkel, Gattin Mirjam und Sohn Heinrich) Zwettl verlassen und nach Wien übersiedeln. Am 14. Februar 1941 wurden Mirjam Fränkel (geb. 1889) und Heinrich (geb. 1927) in das Ghetto von Oppeln (Opole) deportiert, wo sich ihre Spur verliert. Dr. Philipp Fränkel (geb. 1884) brachte man am 28. Oktober 1941 nach Litzmannsstadt (Lódź). Keiner der an diesem Tag dorthin deportierten 998 Menschen überlebte.

Regina Grünwald, Zwettl
Regina Grünwald (geb. 1876), die Witwe nach Gustav Grünwald, seit 1936 verehelichte Lenobel, besaß in Zwettl das Haus Neuer Markt 5, wo ihre Gatte eine Altwarenhandlung betrieben hatte. Schon 1932 war sie nach Wien übersiedelt. Am 22. Juli 1942 deportierte man sie in das KZ Theresienstadt, wo sie am 23. Februar 1943 ums Leben kam.

Familie Paul Klein, Zwettl
Paul Klein (geb. 1900) betrieb in Zwettl (Hauptplatz 17) ein Textil- und Schuhgeschäft. Schon am 30. Juli 1938 reiste er mit seiner Frau Irene und Tochter Edith (geb. 1924) nach Wien ab. Die Familie Klein konnte Österreich verlassen und wanderte in die USA aus.

Dr. Wilhelm Löbisch, Zwettl
Dr. Wilhelm Löbisch (geb. 1880) war seit 1913 Arzt in Zwettl. Nach dem „Anschluss“ von 1938 konnte er den für Ärzte erforderlichen „Arierenachweis“ nicht erbringen, da er jüdische Vorfahren hatte. Er war – in der Diktion der damaligen Zeit – Halbjude oder Mischling ersten Grades. Es wurde ihm die Stelle als Gemeinde- und Armenarzt aberkannt. Ansonsten blieb er aber weitgehend unbehelligt und durfte seine Praxis weiterführen, wenn auch mit deutlichen Einschränkungen und zahllosen Behinderungen. Dr. Löbisch starb am 1. Oktober 1969 in Wien.

Dr. Wilhelm Löbisch (1880-1969) Quelle: StAZ, Sign. BA 02/4/15-1

Dr. Wilhelm Löbisch (1880-1969)
Quelle: StAZ, Sign. BA 02/4/15-1

Ing. Gustav Mandl, Wien
Gustav Mandl wurde 1877 in Zwettl als Sohn von Adolf und Rosa Mandl geboren. Er lebte in Spielfeld (Steiermark) und Wien, wo er zuletzt als Häuserverwalter tätig war. Im November 1942 wurde er dort von der Gestapo als Unterstandsloser verhaftet und am 16. Februar 1943 in das KZ Auschwitz gebracht, wo er ums Leben kam.

Ing. Gustav Mandl (1877-1943) Quelle: Dokumentationsarchiv desösterr. Widerstandes bzw. WienerStadt- und Landesarchiv

Ing. Gustav Mandl (1877-1943)
Quelle: Dokumentationsarchiv des
österr. Widerstandes bzw. Wiener
Stadt- und Landesarchiv

Familie Rosenberg, Hörmanns
Seit 1897 betrieb Heinrich Rosenberg (geb. 1866) in Hörmanns einen Landesproduktenhandel. Er und seine Gattin Regine lebten ab Februar 1939 in Wien, wo Heinrich Rosenberg im Jänner 1942 starb. Seine Witwe Regine (geb. 1868) brachte man am 28. Juni 1942 in das KZ Theresienstadt, wo sich ihre Spur verliert. 1947 wurde sie für tot erklärt. Karl Rosenberg, der 1898 geborene Sohn von Heinrich und Regine, übersiedelte zu Jahresende 1938 mit seiner Gattin Irma (geb. 1910) nach Wien. Dort erwirkten und erkauften sie für teures Geld die Genehmigung, nach Palästina auswandern zu dürfen, wohin sie sich im November 1939 auch auf den Weg machten. In Jugoslawien allerdings wurden beide verhaftet und in das Lager Sabac gebracht, wo Karl Rosenberg am 13. Oktober 1941 ums Leben gekommen sein dürfte. Über das Schicksal seiner Gattin Irma schweigen die Quellen. 1947 wurde sie über Betreiben ihrer Brüder für tot erklärt.

Eduard Schidloff, Zwettl
Eduard Schidloff (geb. 1863), der Onkel des unten erwähnten Robert Schidloff, besaß das Haus Hauptplatz 17 in Zwettl. Er war ein beliebter Chor- und Solosänger (Tenor) im Zwettler Männergesangsverein. Im Dezember 1938 musste er sein Haus verkaufen und in ein Massenquartier nach Wien übersiedeln. Das Geld kam auf ein Sperrkonto, über das nur mit ausdrücklicher Genehmigung staatlicher Stellen verfügt werden konnte. Am 22. Juli 1942 brachte man ihn gemeinsam mit seinen Verwandten in das KZ Theresienstadt, wo er am 20. September 1942 ums Leben kam.

Eduard Schidloff (1863-1942) Quelle: StAZ, Sign. BA 02/6/56

Eduard Schidloff (1863-1942)
Quelle: StAZ, Sign. BA 02/6/56

Familie Robert Schidloff, Zwettl
Die Familie Schidloff war seit 1856 in Zwettl ansässig und betrieb zuletzt im Haus Hauptplatz 3 eine Essig- und Spirituosenerzeugung. Robert (geb. 1888) und Emma Schidloff (geb. 1897) mussten ihr Haus im Mai 1938 verkaufen und gemeinsam mit Tochter Elisabeth (geb. 1929) ebenfalls in ein Massenquartier nach Wien übersiedeln.
Auch ihr Geld kam auf ein Sperrkonto unter staatlicher Kontrolle. Am 22. Juli 1942 brachte man sie gemeinsam mit Onkel Eduard in das KZ Theresienstadt, wo Robert Schidloff am 7. September 1943 ums Leben kam. Emma und die knapp 15 Jahre alte Elisabeth deportierte man am 15. Mai 1944 in das KZ Auschwitz, wo sich ihre Spur verliert.

Kennkarte des Robert Schidloff vom 24. 1. 1939, Quelle: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Volksgericht: A1 Vg 11h Vr 7837/46

Kennkarte des Robert Schidloff vom 24. 1. 1939
Quelle: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Volksgericht: A1 Vg 11h Vr 7837/46

Elisabeth (Lieserl) Schidloff (1929-1944) im Jahr 1936 oder 1937 Quelle: StAZ, Sign BA 02/6/57

Elisabeth (Lieserl) Schidloff (1929-1944) im Jahr 1936 oder 1937
Quelle: StAZ, Sign BA 02/6/57

Max und Rosa Taussig, Zwettl
Max Taussig (geb. 1888) wohnte ab 1935 in der Kamptalstraße 11 und handelte mit landwirtschaftlichen Maschinen und Fahrrädern. 1939 zogen er und seine Frau Rosa (geb. 1891) nach Wien, von wo sie am 26. Februar 1941 in das Ghetto von Oppeln (Opole) deportiert wurden. Von den an diesem Tag dorthin verschleppten 1.049 österreichischen Juden überlebten nur drei. Das Ehepaar Taussig war nicht darunter.

Paul Taussig, Zwettl
Der 1920 geborene Paul, Sohn von Max und Rosa Taussig, versuchte im September 1938, sich über Jugoslawien nach Italien abzusetzen. An der Grenze wurde er aber wegen seines mit den „J“ (für „Jude“) gekennzeichneten Passes aufgegriffen. Im Frühjahr 1939 gelang es ihm allerdings dann doch, über Holland nach England zu flüchten, wo er am 16. April 1939 anlangte. Er trat in die britische Armee ein und bekleidete nach Kriegsende eine führende Position in der englischen Postverwaltung. Paul Taussig starb am 5. Mai 1989 in Wakefield, West Yorkshire.

Josef Zimmer, Marbach am Walde
Der Obst- und Gemüsehändler Josef Zimmer (Zimmerl) aus Marbach am Walde, der sich wegen seine Freigiebigkeit vor allem bei der Jugend großer Beliebtheit erfreute, wurde bald nach dem „Anschluss“ über Weisung des örtlichen Parteischefs auf seinem eigenen Kleinlastwagen durch den Ort geführt und als „Geldjude“ zur Schau gestellt. Sein weiteres Schicksal ist unbekannt. Wahrscheinlich kam er in einem Vernichtungslager ums Leben.

Literatur:
Josef Leutgeb, „Holocaust“ auch für Zwettler Juden. In: Zwettler Kurier Nr. 17 (1979) S 8-12.

Friedel Moll, Von Zwettl nach Auschwitz. Spuren der jüdischen Familie Schidloff im Stadtarchiv Zwettl. In: Das Waldviertel, 38. Jahrgang, Heft 3 (Horn 1989) S 218–235. [http://www.daswaldviertel.at/]

Friedel Moll, Juden in Zwettl. In: Friedrich Polleroß (Hg), Die Erinnerung tut zu weh. Jüdisches Leben und Antisemitismus im Waldviertel (= Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes 37, Horn 1996) S 343 – 370. [http://www.daswaldviertel.at/]

Friedel Moll, Juden in Zwettl – ein Nachtrag. In: Das Waldviertel, 47. (58.) Jg., Heft 2 (1998) S 148-157. [http://www.daswaldviertel.at/]

Friedel Moll, Jüdisches Leben in Zwettl. Koexistenz und Verfolgung, vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Mit Beiträgen von Eveline Brugger, Christoph Lind und Barbara Staudinger (= Zwettler Zeitzeichen 13, Zwettl 2009).